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Politik

Keine Frage des Sports

Deutschland Beate Hinrichs
Beate Hinrichs
7. Mai 2019

Sportlerinnen und Sportler, die sexualisierte Gewalt erfahren, finden selten Gehör. Das war bei Übergriffen in den Kirchen auch lange so. Denn die Gesellschaft schaut immer noch weg, kritisiert Beate Hinrichs.

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Symbolbild Fußball Kinder
Bild: imago/Galoppfoto

Der Aufschrei ist groß: In deutschen Sportvereinen wird vermutlich genauso viel sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ausgeübt wie in den christlichen Kirchen. Mit dieser Einschätzung erschreckt Sabine Andresen, Vorsitzende der Aufarbeitungskommission sexuellen Kindesmissbrauchs, die Öffentlichkeit. Und die ist doch immer noch schockiert vom Ausmaß des Skandals in den Kirchen. Was soll denn noch alles kommen?

Den Aufschrei könnte man sich sparen, hätte man gleich richtig hingeschaut - auf die Strukturen, nicht auf die Besonderheiten, die uns vorgaukeln, Übergriffe gäbe es nur in bestimmten Bereichen. In katholischen Gemeinden ist das Problem eben nicht vorrangig das Zölibat. Im Sport sind problematisch eben nicht nur körperliche Nähe, Hilfestellung oder die vielen Ehrenamtlichen, denen niemand Böses zutraut. Das alles mag sexualisierte Übergriffe erleichtern - zugrunde liegen ihnen aber in jedem Fall Machtstrukturen, Abhängigkeiten, fehlende Transparenz und vor allem das Wegschauen der anderen.

Präventionskonzepte gibt es längst

Das Ausmaß der sexualisierten Gewalt gegen Sporttreibende belegen Studien: Jede bzw. jeder dritte Spitzensportler ist betroffen, Frauen und Mädchen häufiger als Männer und Jungen. Das entspricht den Befunden für die Gesamtbevölkerung. Und es könnte ähnlich verteilt sein bei den rund sieben Millionen sportlich aktiven Kindern und Jugendlichen in 90.000 Sportvereinen.

Deutschland Beate Hinrichs
DW-Redakteurin Beate HinrichsBild: Ikhlas Abbis

Und Deutschland ist keine Ausnahme: So hat beispielsweise sexualisierte Gewalt im englischen Jugendfußball und im US-amerikanischen Turnerverband schon vor Jahren Schlagzeilen gemacht.

Das Thema ist bei den spezialisierten Fachberatungsstellen, beim Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, bei der Aufarbeitungskommission und anderen Aktiven längst angekommen. Es gibt Vereinbarungen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen beispielsweise mit dem Deutschen Olympischen Sportbund und Landessportverbänden. Es gibt Studien zu Ausmaß und Prävention sexualisierter Übergriffe im Sport.

Wir alle tragen Verantwortung

Die dicken Bretter müssen bei den Vereinen gebohrt werden: Nur die Hälfte von ihnen schätzt Prävention als relevant ein - und dann vor allem die, bei denen Frauen im Vorstand sitzen. Auch das entspricht dem Verhalten der Gesamtgesellschaft: Für den Schutz vor sexualisierter Gewalt fühlen sich immer noch (keineswegs nur, aber überwiegend) Frauen verantwortlich. Klar, Frauen und Mädchen sind öfter betroffen - aber Männer, die sich für Kinderschutz engagieren, geben ein positives Beispiel. Auch das ist ein Stück Gewaltprävention.

Um Kinderschutz in Sportvereinen, in Kirchen, in Jugendheimen, in Schulen und etlichen anderen Einrichtungen zu verankern, muss das Thema auch endlich in die Ausbildungspläne von Trainern, Betreuern, Pädagogen, Sozialarbeitern aufgenommen werden. All diese Einrichtungen müssen aktiv werden und individuelle, gelebte Präventionskonzepte erarbeiten. Sportvereine sind da zurzeit Schlusslicht, aber das Knowhow ist da, es muss nur abgerufen werden.

Erwachsene Mitglieder müssen den Mädchen und Jungen auf Augenhöhe begegnen. Sie müssen Betroffene anhören und ihr Leid anerkennen. Sie müssen Fälle aufarbeiten und Verantwortung übernehmen.

Dazu braucht es eine Haltung: Sexualisierte Gewalt ist kein Einzelfall. Ja, auch bei uns kann sie ausgeübt werden. Wir müssen hinsehen.