Schulz kann auch Bierzelt
Martin Schulz ist der richtige Mann zur richtigen Zeit. Das hat sich auch im Bierzelt gezeigt. Er schafft es, selbst den geschundenen Sozialdemokraten in Bayern wieder ein gutes Gefühl zu geben. Eine Partei die noch im Januar in den Umfragen bei 14 Prozent lag, stand nun selbstbewusst und "Martin, Martin" rufend im Bierzelt. "Martin" lässt sie wieder an die gemeinsame Sache und den gemeinsamen Erfolg glauben.
Zuletzt wurde Schulz nachgesagt, er sei unkonkret, vage und schwammig. Tatsächlich hat er sich erst einmal für die große Linie entschieden. Er macht der SPD klar, was sie ist und wofür sie immer stand. Für soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit, Investitionen und Bildung, gegen Nationalismus, Egoismus und Raubtierkapitalismus. Mit Erfahrungen aus dem Alltag - einerseits Steuerhinterziehung, andererseits marode Schulen - bringt er seine Leute geschlossen hinter sich.
Echte Alternative
Er kann diese teils offenkundigen Missstände ansprechen, weil er nicht als Teil der Berliner Koalition wahrgenommen wird, sondern als Mann von außen. Und er kann kritisieren, weil er den Ton trifft. Seine Empörung wirkt echt, seine Sprache ist klar, er klingt nach einem glaubwürdigen Anwalt der "kleinen Leute". Dass er die Härte der Arbeitswelt, der persönlichen Krisen und Brüche kennt, nehmen ihm die Leute ab - auch wegen seiner eigenen Biografie.
Dass er für die SPD der Richtige ist, hat sein Auftritt in Bayern gezeigt. Aber ist er auch für die Deutschen der Richtige? Im Moment geht der Schulz-Effekt an keinem spurlos vorbei - selbst klassische Konservative in der Vilshofener Altstadt finden: Der SPD-Mann hat was. Zu mitreißend ist sein Einsatz, zu groß der Kontrast zur vermuteten Müdigkeit seiner Kontrahentin Angela Merkel. Bleibt die Frage, was Schulz wirklich will.
Daran, dass er Kanzler werden will, besteht kein Zweifel. Und dann? Will er wirklich die Agenda 2010 zurückdrehen? In Bayern klang das gar nicht so. Will er eine Bürgerversicherung, eine Vermögenssteuer, ein Einwanderungsgesetz? Zu solchen Programmfragen wird man noch länger nichts von ihm hören. Der Schulz-Effekt soll schließlich noch weiter tragen. Partei und Land können ihrer Fantasie weiter freien Lauf lassen. Der "Martin" bleibt die perfekte Projektionsfläche für alles - und die einzig echte Alternative zur Kanzlerin.
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