Schluss mit der Gewalt!
Im fünften Monat der Proteste ist - ungewöhnlich für einen Arbeitstag - die Gewalt in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong eskaliert: Zwei Polizisten wollten am Montagmittag eine von Demonstranten blockierte Kreuzung räumen und wurden von einer Vielzahl wütender, zum Teil vermummter Personen umzingelt. Bevor eine Hundertschaft als Verstärkung kam, schoss ein Polizeibeamter einen Demonstranten in den Bauch, als dieser der Aufforderung zurückzuweichen keine Folge leistete und auf den Beamten offenbar bedrohlich wirkte.
Ein weiterer Demonstrant wurde von zwei Schüssen des gleichen Polizisten getroffen und brach ebenfalls zusammen. Gleichzeitig wurden die Sicherheitskräfte, die ohne Schutzausrüstung im Einsatz waren, mit großen Gegenständen beworfen. Der erste der beiden Angeschossenen befindet sich in kritischem Zustand. In einem anderen Stadtteil kam es zum Wortgefecht zwischen mehreren Demonstranten und einem Fürsprecher der Regierung. Dieser wurde plötzlich mit einer Flüssigkeit bespritzt und in Brand gesetzt, kam mit schweren Verbrennungen ins Krankenhaus.
Gewalt erzeugt Gegengewalt
Während die Demonstranten der Polizei schon seit Beginn der Proteste Unverhältnismäßigkeit vorwerfen, ufert nun auch der Protest in Gewalt aus. Die Motivation der Randalierer liegt auf der Hand: Sie wollen die Polizei provozieren, mehr Unruhe in der Stadt produzieren und die Schlagzeilen beherrschen. Dabei hat die vermutlich kleine Gruppe von Randalierern offenbar vergessen, dass sich die Protestbewegung von Anfang hat zu Frieden, Vernunft und Gewaltlosigkeit bekannt hatte.
Auch die Polizei in Hongkong, "Truppe der Disziplin" genannt, ist augenscheinlich nicht in der Lage, die öffentliche Ordnung mit angemessenen Mitteln aufrechtzuerhalten. Gestärkt durch die Beschlüsse der chinesischen Partei- und Staatsführung gelang es zwar in Einzelfällen, die Kontrolle über die Situation zurückzugewinnen, aber ein Gesamtkonzept für eine dauerhafte Beruhigung der Lage fehlt. Auch darüber, wie die Polizeigewalt unabhängig untersucht werden soll, wie es die Demonstranten fordern, gibt es noch keinen Konsens.
Der neue designierte Polizeipräsident Chris Tang, der als Hardliner gilt, muss sich dringend Gedanken machen, wie die Polizei das Vertrauen der Bürger zurückgewinnen kann, während er gleichzeitig den politischen Auftrag zur Wiederherstellung der Ordnung erfüllen muss. Dafür wird es weniger der "eisernen Faust" bedürfen, aber umso mehr Fingerspitzengefühl. Mit Gewalt auf Gewalt zu antworten, endet nur in einer endlosen Spirale und führt nie zum Ziel.
Dialog als einzige Lösung
Die Menschen in Hongkong gehen auf die Straße, weil sie mehr politische Rechte wollen. Rechte, die sicherstellen sollen, dass es in der Stadt auch weiterhin Demokratie und Wohlstand gibt. Doch die Gewalt und Radikalität der Chaoten bewirkt genau das Gegenteil. Hongkong ist inzwischen in Verruf geraten: Internationale Konzerne überlegen, ihre Firmensitze zu verlegen, der Einzelhandel beschwert sich über Umsatzeinbrüche, da viele Touristen inzwischen den "Duftenden Hafen" meiden. Solange Hongkong nicht wieder zur Ruhe kommt, wird es schwierig, politische Lösungen zu finden.
In der jetzigen Situation wäre es äußerst unklug von der Hongkonger Regierung, das geplante verschärfte Gesetz zur inneren Sicherheit durchs Parlament zu bringen. Mit diesem neuen Gesetz könnte künftig jeder Demonstrant strafrechtlich belangt werden. Womit würde die Regierung nur Feuer ins Öl gießen würde. Zur Lösung der Krise in Hongkong bleibt der einzige Ausweg, dass beide Seiten der Gewalt abschwören und in einen echten Dialog eintreten.