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Schimpfen will gelernt sein!

Kay-Alexander Scholz28. November 2014

Die Schwarze Null ist kein Grund, schwarz zu sehen. Kay-Alexander Scholz wundert sich über das Geschimpfe der Kritiker an dem historischen Wendepunkt, ab 2015 im Bundeshaushalt ohne neue Schulden auszukommen.

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Deutscher Bundestag Plenarsaal im Reichstagsgebäude in Berlin
Bild: imago/IPON

Zu meckern und zu schimpfen haben die Deutschen irgendwie immer etwas. Dafür werden sie im Ausland gern belächelt, weil man dort die Beweggründe oft nicht so recht nachvollziehen kann. Bei der "Schwarzen Null" ist es auch wieder so. Da schafft es die Bundesregierung, trotz Euro-Krise, schwacher Weltkonjunktur, Flüchtlingsströmen und neuem Kalten Krieg einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen. Damit wird sie der neuen und wichtigen Vorbildrolle Deutschlands in Europa gerecht. Und was passiert? Richtig: Es wird gemeckert und geschimpft! Gut - es gehört zu den Aufgaben der Opposition, die Finger in die Wunde zu legen. Aber dann muss man sich auch die Mühe machen, die richtige Wunde zu suchen.

Von Schuldenabbau spricht niemand mehr

Noch vor gar nicht allzu langer Zeit hatte Finanzminister Schäuble in Aussicht gestellt, den riesigen Schuldenberg nicht nur passiv, sondern aktiv abbauen zu wollen. Also Geld zur Rückzahlung von Schulden zu verwenden. Kredite zu tilgen und nicht nur die Zinslast zu bezahlen. Davon ist nun keine Rede mehr. Stattdessen soll "nur" kein neuer Euro mehr auf den Schuldenberg gelegt werden. Der dann lediglich mit der Zeit - relativ gesehen - kleiner wird. Weil in Bezug zur bestehenden Schuldenlast Wirtschaftskraft und Steueraufkommen ja weiter wachsen.

Hier hätte die Opposition angreifen sollen! Denn Schuldenabbau ist zuvorderst im Interesse der eigenen Klientel, die auf staatliche Zuweisungen angewiesen ist: Je mehr Zinsen für Schulden zu zahlen sind, umso weniger bleibt für den Sozialstaat. In Nordrhein-Westfalen, wo immer fleißig neue Schulden gemacht werden, sind inzwischen reihenweise Kommunen pleite. In Bremen, ebenfalls von Rot-Grün regiert, ist die Arbeitslosigkeit inzwischen so hoch wie sonst nirgends im Land, auch nicht im strukturschwachen Osten. So ist dann auch kein Geld übrig, um den Kommunen bei der Unterbringung von Flüchtlingen zu helfen. Das wohlhabende Bayern übernimmt die Kosten dafür fast vollständig - davon können Bürgermeister in Nordrhein-Westfalen nur träumen.

Kommentarfoto Kay-Alexander Scholz Hauptstadtstudio
Kay-Alexander Scholz, Korrespondent im DW-HauptstadtstudioBild: DW/S. Eichberg

Emotionen statt Argumente

Aber immer neue Ausgaben fordern - zum Beispiel für Autobahnbrücken und Schienenwege. Angeblich zerbröselt die Infrastruktur ja allerorten. Die vielen Bagger und Baustellen im Land sprechen eine andere Sprache! Und wenn kein sachlicher Grund fürs Meckern und Schimpfen mehr einfallen will, dann wird's emotional. "Okulte Opferrituale vor der neuen Göttin Schwarze Null" war im Bundestag zu hören. Das klang eher nach einigermaßen gelungenem Poetry Slam als nach Bundestagsdebatte.

In früheren Zeiten gab es eine einfache Methode, mit unproduktiven Meckerern umzugehen: In Großfamilien auf dem Land setzte man den ewig schimpfenden Opa in eine Ecke in der Küche und ließ ihn blubbern und schimpfen.