Protestpartei als Mehrheitsbeschaffer?
13. Oktober 2014Seitdem in der vorigen Woche bei einer Nachwahl die UK Independence Party den ersten Parlamentssitz gewann, ist bei den britischen Konservativen endgültig Panik ausgebrochen. Dass ein Abtrünniger aus den eigenen Reihen diesen Sieg errang, verstärkte dabei noch den Schmerz. Seitdem werden die Tories immer nervöser und versuchen, die Protestpartei gleichzeitig rechts zu überholen und sie mit Zugeständnissen zu ködern. So soll Ukip-Chef Nigel Farage, Oberpopulist und trickreicher Rhetoriker, nun sogar an einer der Fernsehdiskussionen vor den Neuwahlen im kommenden Frühjahr teilnehmen dürfen.
Farage, ein Ex-Banker, der sich zum Anti-Politiker und Mann von der Straße mit dem Bierglas stilisiert, legte seinerseits einen Köder aus, der für die Konservativen zur politisch tödlichen Falle werden kann: Er bot sich bei der Wahl als Mehrheitsbeschaffer an - um den Preis eines noch 2015 stattfinden EU-Referendums. Denn Hauptanliegen des langjährigen Europaabgeordneten ist der Austritt Großbritanniens aus der EU.
Vor allem Anti
Der Aufstieg seiner Partei von der Querulantentruppe zur ernst zu nehmenden politischen Kraft ist quasi die Blaupause für ähnliche Bewegungen in Europa. Ukip ist Sammelbecken für Nostalgiker auf der Suche nach der vergangenen Zeit, für Ausländerhasser, Politikverdrossene, politisch und sozial Unzufriedene aller Schattierungen. Ihre Politik ist vor allem Anti: Anti-Europa, Anti-Ausländer, Anti-Globalisierung. Garniert mit einem kräftigen Schuss Exzentrik, wie etwa der Forderung, die Zahl der Ausländer in Fußballvereinen auf drei zu beschränken oder an der Grenze HIV-Tests für Zuwanderer einzuführen.
Den eigentlichen Auftrieb aber hat Farages Sammlungsbewegung der Nörgler und Zukurzgekommenen von der konservativen Regierungspartei bekommen:
Sie überschlägt sich zunehmend in antieuropäischen Parolen. Der rechte Flügel wollte Ukip schon zum künftigen Koalitionspartner ernennen, inzwischen wollen auch führende Tories eine Zuwanderungsquote für EU-Bürger. In dieser Stimmung und unter solchem Zeitdruck hätten Verhandlungen mit Brüssel über neue Zugeständnisse an den britischen Sonderweg keine Chance. Das lässt sich nicht in ein paar Monaten erledigen, so dass ein Referendum 2015 quasi fast automatisch im "Brexit", im Ausstieg Grossbritannens enden müsste.
Wie man es nicht machen sollte
Premier David Cameron hat hier gezeigt, wie man es nicht machen soll: Er hat erst seinem rechten Parteiflügel und dann Ukip erlaubt, ihn in der Europafrage vor sich herzutreiben. Er hat zugelassen, daß die Protestpartei durch zu viel Aufmerksamkeit hoffähig wurde und jetzt die politische Debatte in Großbritannien quasi im Alleingang bestimmt. Die mutmaßlichen Anliegen der Ukip-Wähler wurden zur politischen Richtschnur. Vor allem in Berlin sollte man im Umgang mit der "Alternative für Deutschland" aus den Fehlern in London lernen – das britische Beispiel sei hier zur Nachahmung ausdrücklich nicht empfohlen.