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Politik

Polens Kirche fremdelt mit der Freiheit

Porträt eines Mannes, der eine Brille trägt
Bartosz Dudek
7. April 2019

Halbherziger Umgang mit dem Missbrauchsskandal. Fackelmarsch in Tschenstochau. Brennende Bücher nach der Sonntagsmesse. Was ist aus der Kirche geworden, die im Kommunismus Hort der Freiheit war, fragt sich Bartosz Dudek.

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Polen Tschenstochau Aufmarsch Rechtsradikaler
Die "6. Wallfahrt" der Nationalisten und extremen Rechten Ende März in TschenstochauBild: Imago Images/Eastnews/M. Barczynski

Vorweg ein Geständnis: Ich bin Katholik, gehe gerne sonntags zur Kirche, mein Glaube ist für mich eine wichtige Quelle der Spiritualität. Er hat etwas sehr persönliches, sehr intimes, individuelles, aber auch soziales und menschenfreundliches in sich. Etwas, das mir Orientierung und Kraft spendet. Und etwas, was zu einem guten Umgang mit mir selbst, meinen Mitmenschen und der Natur führt.

In der Zeit meiner Kindheit und Jugend im kommunistischen Polen habe ich zu meinem Glauben gefunden über eine katholische Kirche, die Symbol der Freiheit war.  Ja, die Kirche von damals gab meiner Generation Raum zur Selbstverwirklichung und Debatte, die in der vom totalitären Regime kontrollierten Öffentlichkeit anderswo nicht möglich war.

Taub für Mahnungen aus dem Vatikan

Und die katholische Kirche unter der Führung des polnischen Papstes Johannes Paul II. hat maßgeblich zum Sturz des Kommunismus und zur Wiedererlangung der staatlichen Souveränität und der Demokratie in Polen beigetragen. Dafür wurde diese Kirche nach der Wende mit vielen Privilegien belohnt. Ihre politische Macht ist gewachsen. Der Sieg des national-konservativen Lagers unter der Führung von Jaroslaw Kaczynski wäre ohne die Schützenhilfe vieler Bischöfe und Pfarrer nicht möglich gewesen. Das Tragische dabei: Die politische Allianz der Kirche mit einer bestimmten politischen Partei wird für die Kirche kein gutes Ende nehmen. Das Ende dieser unheiligen Allianz wird auch von den höchsten vatikanischen Stellen angemahnt. Doch die Mehrheit der polnischen Bischöfe scheint dafür taub zu sein. 

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Bartosz Dudek leitet die Polnische Redaktion der DW

Das Problem liegt tiefer: Die katholische Kirche in Polen fremdelt mit der Freiheit. Sie verbarrikadiert sich auf dem vertrauten Terrain des Nationalen. Sie agiert und reagiert mit eingeübten Reflexen. Jede Kritik wird als Angriff des Bösen verteufelt. Der Krakauer Erzbischof Marek Jedraszewski meinte zum Beispiel auf einer Pressekonferenz zum sexuellen Missbrauch durch Kleriker, dass der Begriff  "Pädophilie in der Kirche" ein ideologisches Konstrukt sei, das allein der Kirchenhierarchie schaden solle. Die von den Medien propagierte "Null-Toleranz" gegenüber sexualisierter Gewalt von Geistlichen hätte was Totalitäres in sich, denn es seien vor allem die Nazis und Kommunisten gewesen, die kein Mitleid gezeigt hätten, so der Erzbischof. Das paradoxe dabei: Es ist der Papst Franziskus selbst, der den Begriff "Null-Toleranz" lanciert und deren Umsetzung fordert. 

Rechte Verbündete gegen das "Böse"

Es kann also nicht wundern, dass ein Teil der katholischen Kirche in Polen auch in der extremen Rechten ihre Verbündeten gegen die böse Außenwelt sieht. Die Bilder der Nationalisten, die am Wochenende mit Fackeln auf dem Klostergelände im berühmtesten polnischen Wallfahrtsort Tschenstochau marschieren und dort Eintrittsrituale mit gehobenen Armen veranstalten, sind dafür ein Beleg. Auch die Verbrennung angeblich "gottloser" Bücher (unter anderem die Harry Potter-Romane von J.K. Rowling) und anderer Gegenstände in einer Pfarrgemeinde in Danzig (Gdansk) weckt die schlimmsten Assoziationen.

Das ist nicht die Kirche, die ich kannte. Und sie wird dafür eine satte Rechnung bekommen. So ähnlich wie in Irland und in Spanien. Vermutlich erst dann, wenn die Kirchen auch in Polen leer werden, wird es einen Neuanfang geben. Bis dahin wird es noch ein langer und schmerzlicher Weg.

Porträt eines Mannes, der eine Brille trägt
Bartosz Dudek Redakteur und Autor der DW Programs for Europe