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Nicht kriminell, aber ganz schön dumm!

Volker Wagener19. Dezember 2013

Christian Wulff soll sich als Bundespräsident Vorteile verschafft haben, doch der bisherige Prozessverlauf belegt das noch nicht. Was bleibt, ist Dummheit im Dienst, findet Volker Wagener.

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Bild: DW

Es geht um 750 Euro - ungefähr. Ein Oktoberfest-Besuch in München, ein Abendessen, eine Hotelzimmer-Rechnung und die Babysitterkosten für das Kind der Wulffs. Er soll sich von einem Filmproduzenten all das spendiert haben lassen. Im Gegenzug sollte sich der Politiker für ein Filmprojekt des Produzenten einsetzen, damit dieses öffentliche Fördergelder erhält. Das alles hat sich 2008 zugetragen, da war Wulff noch Ministerpräsident in Niedersachsen.

Juristisch sauber, aber in der Sache instinktlos

Der Prozess ist noch nicht zu Ende, doch die, die bislang zur Sache befragt wurden, konnten das, was die Staatsanwaltschaft der früheren protokollarischen Nummer eins vorwirft, nicht bestätigen. Das Verfahren soll nun verkürzt werden. So will es der Vorsitzende Richter. Ein Etappensieg für Wulff. Doch er und die Staatsanwaltschaft wollen bis zum Ende ringen.

Christian Wulff kann zufrieden sein. Er will einen Freispruch erster Klasse. Das ist für ihn das Mindeste nach seinem peinlichen und würdelosen Sturz aus dem Bundespräsidentenamt. Ursprünglich war der Korruptionsprozess vor dem Landgericht Hannover bis April geplant, doch das Argumentationsgerüst der Staatsanwaltschaft droht nun nach den Auftritten von 20 Zeugen wie ein Kartenhaus zusammenzubrechen. Wer genau was bezahlt hat und ob die Wulffs davon wussten, lässt sich nicht mehr zweifelsfrei feststellen. Eine bewusste und gewollte Vorteilsannahme ist für das Gericht somit nicht feststellbar.

Das Bundespräsidentenamt eine Nummer zu groß

Rechtlich also wird Wulff gerade wieder reingewaschen. Das ist dem studierten Juristen wichtig und trägt sicherlich maßgeblich zu einer Teil-Rehabilitierung bei. Mehr aber auch nicht. Was sich nämlich nicht mehr wiederherstellen lässt, ist das Ansehen des Politikers Wulff. Zu sehr hatte sein Auftreten in der Welt der Schönen und Reichen zu Zeiten seiner Ministerpräsidentschaft etwas Naiv-Ungelenkes. Wulff kommt aus bescheidenen Verhältnissen. Allzu häufig war er den Versuchungen, denen er ausgesetzt war, erlegen. Er konnte nicht mehr unterscheiden, was er als Regierungschef in Niedersachsen an Freundesdiensten annehmen durfte und was nicht. Man kann es auch so sagen: Es fehlte ihm - obwohl in der Mitte des Lebens stehend - die Reife, Grenzen zu erkennen. Grenzen, hinter denen Gefahren lauern. In diese Falle ist er getappt. Mehr als ein Fauxpas für einen Spitzenpolitiker.

Dem unwürdigen Spiel nun ein Ende bereiten

Christian Wulff, eigentlich ein gutmütiger und freundlicher Mensch, hat allein schon wegen seines peinlichen Endes als Bundespräsident genug an Schimpf und Schande einstecken müssen. Der Prozess, sein nahes Ende und der erwartbare Freispruch ermöglichen Wulff nun wieder mehr Normalität im Leben, im privaten wie im beruflichen. Das ist gut für ihn.

Gut für das öffentliche Bewusstsein ist das Geraderücken von Verhältnissen. Wulff wurde, bei allem persönlichen Fehlverhalten, auch das Opfer der Boulevard-Presse. Jahrelang hatten sie ihn hofiert und dann gnadenlos niederschrieben und zum politischen Abschuss freigeben. Und auch die Staatsanwaltschaft hat sich verrannt. Wegen 750 Euro einen Prozess über 22 Tage anzusetzen und dabei mehrere Tausend Akten-Seiten zu sezieren, das sprengt jeden Maßstab. Schon gar, wenn am Ende nichts mehr übrig bleibt von der großen Skandal-These "korrupter Bundespräsident". Dennoch: Als Politiker kann man auf der großen öffentlichen Bühne nicht nur formaljuristisch verbrennen, es reicht auch schon eine gehörige Portion Dummheit im Dienst.