Neue Strategien gegen den Terror gesucht
19. November 2014Die Antwort auf den Angriff Al-Kaidas auf das World Trade Center in New York 2001 war Krieg. Die USA unter Präsident George W. Bush begannen diesen Krieg in Afghanistan unter dem Namen "Krieg gegen den Terror". Heute, rund 13 Jahre später, wissen wir, dass dieser Krieg sein Ziel verfehlt hat. Denn der Terror ist nicht besiegt. Im Gegenteil: Wie der gerade in London erschienene "Global Terrorism Index" belegt, ist er sogar auf dem Vormarsch: Im Jahr 2013 gab es weltweit fast 10.000 Terroranschläge, 44 Prozent mehr als noch im Jahr zuvor. Fast 18.000 Menschen sind bei diesen Angriffen ums Leben gekommen - 61 Prozent mehr als 2012. Der "Krieg gegen den Terror" hat nur eines bewirkt: noch mehr Terror.
Wenn wir die Geschichte des Terrorismus näher betrachten, fällt eines sofort auf: In den vergangenen 50 Jahren war die effektivste Methode, eine Terrorserie zu beenden, die daran beteiligten Rebellen in einen politischen Verhandlungsprozess einzubinden. Nordirland ist hierfür ein klassisches Beispiel. Dem Index zufolge haben 80 Prozent der Terrorgruppen, die die Waffen niederlegten, dies deshalb getan, weil mit ihnen ein akzeptables Abkommen geschlossen wurde. Nur zehn Prozent der Terroristen beendeten ihre Anschläge, weil sie ihr Ziel erreicht hatten. Noch interessanter: Gerade einmal sieben Prozent der Terrorwellen wurden durch den Einsatz militärischer Mittel beendet. Das ist ein erschreckend kleiner Prozentsatz - verglichen mit der hohen Zahl an Todesopfern, die mit einem solchen Militäreinsatz stets verbunden sind.
Das Dilemma des asymetrischen Krieges
Das bedeutet, dass das Anstoßen eines Verhandlungsprozess das wichtigste Element im Kampf gegen terroristische Gruppen sein sollte. In vielen Ländern ist jedoch der Einsatz militärischer oder paramilitärischer Einheiten noch immer der einzige Reflex. Problematisch ist darüber hinaus, dass Rebellen in Zeiten asymmetrischer Kriegsführung sehr effektiv im Kampf gegen reguläre Armeen geworden sind. Sie meiden das offene Gefecht und beschränken sich stattdessen auf öffentlichkeitswirksame Bombenanschläge. Nirgendwo wird das deutlicher als in Afghanistan, wo die ISAF-Mission seit Jahren erfolglos versucht, die Taliban und ihre islamistische Ideologie zu besiegen. Das erste Ergebnis der Studie lautet also: Die militärische Option ist eher ungeeignet, die gesteckten Ziele zu erreichen.
Ein anderes wichtiges Ergebnis ist: Die Staaten, die am stärksten vom Terrorismus betroffen sind - der Irak, Pakistan, Nigeria und Syrien - leiden vor allem unter islamistisch motiviertem Terror. Dieser religiös inspirierte Terror versucht, der Bevölkerung gegen ihren Willen einen strikten Gottesstaat aufzuzwingen. Daher ist er von Natur aus totalitär. Und das ist das Dilemma: Verhandlungen werden keine Ergebnisse bringen, weil pragmatische Lösungen vor dem Hintergrund einer fundamentalislamistischen Ideologie keine Chance haben. Militäreinsätze haben aber auch kaum Aussicht auf Erfolg. Im besten Falle dämmen sie solche Bewegungen ein - aber sie können sie nicht besiegen.
Der Terror wird weiter zunehmen
Vor diesem Hintergrund muss man für 2015 das Schlimmste befürchten: Gruppen wie der "Islamische Staat", Al Kaida, Boko Haram und die Taliban werden versuchen, ihre religiös verbrämte Botschaft der Angst und des Hasses mit weiteren Anschlägen zu verbreiten. Die meisten Opfer des angeblich vom Islam motivierten Terrors werden dabei Muslime sein, zerrieben im Kampf zwischen sunnitischen und schiitischen Extremisten.
Es kann daher nur einen Weg geben: Die Staaten, die am stärksten betroffen sind, sind bislang daran gescheitert, ihre gesamte Bevölkerung am politischen und gesellschaftlichen Diskurs teilhaben zu lassen. Sie müssen die wirtschaftliche Lage ihrer Bürger verbessern, ihnen einen breiten Zugang zu Bildung verschaffen, Zivilgesellschaften und demokratische Strukturen stärken. Dies erfordert einen langen Atem. Aber es ist der einzige Weg, den Terroristen ihren Nährboden zu entziehen und sie in den jeweiligen Ländern zu isolieren. Der Westen kann diesen Weg unterstützen - aber beginnen muss er von innen, aus den betroffenen Gesellschaften heraus.