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Politik

Kommt nun "Kaiser Abiy"?

Kommentarbild Ludger Schadomsky
Ludger Schadomsky
24. Juni 2019

Die Hintergründe des Geschehens vom Wochenende in Äthiopien liegen noch im Dunkeln. Doch der Premier und seine Regierung könnten am Ende sogar gestärkt aus der aktuellen Krise hervorgehen, meint Ludger Schadomsky.

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Äthiopien Addis Ababa nach Putschversuch
Zwei der Getöteten - der Präsident der Region Ahmara sowie der Generalstabschef - auf dem Titel der Zeitung "Reporter"Bild: Getty Images/AFP/E. Soteras

"A new horizon of hope" steht auf den offiziellen Briefköpfen der vor einem guten Jahr konstituierten neuen äthiopischen Regierung.  Ist nach dem blutigen Wochenende der Hoffnungsschimmer eines geeinten, demokratisch verfassten Äthiopiens nun bereits verloschen? 

Es ist sicherlich verfrüht und zu kurz gesprungen, nach dem vermeintlichen oder tatsächlichen Putsch (bislang benutzen nur offizielle Stellen diesen Begriff) das Ende des äthiopischen Frühlings auszurufen. Doch wirft die konzertierte Kommandoaktion mit der Ermordung fünf hochrangiger Offizieller natürlich schwerwiegende Fragen auf bezüglich der Demokratiefähigkeit des 100-Millionen-Einwohner-Staates am Horn von Afrika.

Wahlprojekt vorerst gescheitert

Soviel scheint gesichert: Die für Mai 2020 geplanten Wahlen werden nicht wie vorgesehen stattfinden können, schon der Testlauf - eine landesweite Volkszählung - musste jüngst abgeblasen werden. Damit ist Abiy mit seinem Herzensprojekt gescheitert, seinen Reformkurs auch offiziell vom Wahlvolk absegnen zu lassen. Auch anderswo wirkt der neue starke Mann schwach: Ethnische Brandherde lodern im ganzen Land, das stolze Äthiopien ist mit Millionen Binnenvertriebener Schauplatz des größten Flüchtlingsdramas auf dem Kontinent. Ist mit einem derart machtlosen Lenker noch Staat zu machen?

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Ludger Schadomsky leitet die Amharisch-Redaktion der DW

Doch es gibt eine alternative Lesart, wie die jüngsten Ereignisse die äthiopische Geschichtsschreibung prägen werden - nun, da der tief verwurzelte und über Jahrtausende unterdrückte ethnische Chauvinismus seine hässliche Fratze für jedermann sichtbar gezeigt hat. Demnach zieht der als Versöhner gestartete Ministerpräsident die Zügel nun kräftig an. Die Schaltstellen in den Regionen, in Militär und Geheimdienst, werden von Abiy-Getreuen besetzt. Statt einer bisweilen grotesken Naivität entwickelt der junge Reformer endlich jene "Roadmap", die die Bürger seit langem fordern. 

"Kaiser Abiy"

Am Ende, so prophezeien es die Anhänger dieser Theorie, wird der Regierungschef als "Kaiser Abiy" de facto absolute Verfügungsgewalt besitzen. Und hat er nicht hier und da bereits mit präsidentieller Machtfülle kokettiert?

"Imperator Abiy ante portas"? Noch ist es nicht soweit, und auf keinen Fall soll an dieser Stelle einem Rückfall in alte, autoritäre Verhältnisse das Wort geredet werden. Aber soll das Projekt "Neuer Horizont" Erfolg haben, dann braucht es nun sehr schnell eine sehr viel deutlichere Handschrift an der Spitze. Und die Bereitschaft von derzeit nur geschätzten 105 Millionen Äthiopiern, das historische Projekt auch über ethnische Grenzen hinaus zu unterstützen.