Männer des Jahres, die keine sind
In Zeiten, da der Stellenwert des Mannes durch ständige Kritik an der Höhe seines Einkommens, Gerichtsentscheide über ein drittes Geschlecht und Sexismusdebatten bedroht scheint wie nie zuvor, muss doch einmal klargestellt werden: Der Mann an sich ist ein toller Typ! Kaum etwas eignete sich zum Beweis besser als eine Gala zur völlig ironiefreien Kür der "Men of the Year" - so wie sie das Magazin "GQ" Jahr für Jahr veranstaltet.
Relevanz? Fehlanzeige!
Nicht nur dafür gebührt der Jury Dank, sondern insbesondere für die Sorgfalt, mit der sie ihre Preisträger auswählt und lästigen Nebengeräuschen - Relevanz gar - von vornherein vorbeugt. In diesem Jahr also sind Arnold Schwarzenegger (stark, kernig), Fußball-Rentner Philipp Lahm (soft, aber leistungsbereit) und der Sänger Mark Forster (soft, erfolgreich) die Geehrten. Schon allein der Schauspieler und frühere kalifornische Gouverneur Schwarzenegger hätte sich für ein paar mahnende Worte in seiner Dankesrede geeignet - ist er doch ein steter Kritiker der Politik von US-Präsident Trump. Doch nicht dafür oder sein Engagement für den Umwelt- und Klimaschutz erhält der gebürtige Österreicher die Auszeichnung, sondern für seine "Jahrhundertkarriere".
Dass zu viel Politik der Unterhaltung schadet, meint wohl auch der Popsänger Forster - aktuell in der Kritik, weil er ein bereitwillig gegebenes Interview zwar gegengelesen, dann allerdings nicht autorisiert haben soll. So ein Verhalten rechtfertigt schon mal die Auszeichnung mit einem Medienpreis. In besagtem Interview ging es übrigens um seichte Unterhaltung und Politisches im Pop. Ob ein als solcher dekorierter "Mann des Jahres" nicht auch Manns genug sein müsste, seine eigenen Aussagen für sich stehen zu lassen, ist nur ein Nebenaspekt.
Mangel an internationalen Stars
Keine Frage: In Deutschland ist die Auswahl an preiswürdigen Vertretern der Unterhaltungsindustrie deutlich überschaubarer als etwa in den USA - Boris Becker und Til Schweiger als "GQ"-Preisträger der Vorjahre geben darüber Zeugnis. Sobald die einschlägigen Galas von "Bambi" bis zur "Goldenen Kamera" versuchen, internationales Flair zu imitieren, wird es noch schlimmer: Die jeweiligen Preisträgerinnen und Preisträger aus Übersee sitzen dann - wahlweise gelangweilt oder angestrengt, nicht gelangweilt zu wirken - in der ersten Reihe und warten darauf, artig "Danke" sagen zu können für einen Preis, von dem sie vermutlich nie zuvor gehört haben.
Jeder einzelne von Schwarzeneggers "Terminator"-Filmen wäre für einen Moment der Unterhaltung oder zur Ablenkung von den Schrecken der Welt eher geeignet als diese Gala-Abende. Auf Hochglanz polierte Events, auf denen sich VIPs gegenseitig ihre Bedeutung versichern, passen nicht mehr in diese Zeit. Wo bleibt die Kreativität, wo der Mut, auch als Unterhaltungsmagazin mal ein Ausrufezeichen zu setzen?
Schluss mit den oberflächlichen Traditionen
Sollen sie ihre Männer auszeichnen - aber doch bitte wenigstens mit den oberflächlichen Traditionen brechen: Mit Schwarzenegger, der vor seiner Politkarriere eingeräumt hatte, Frauen belästigt zu haben, ließe sich doch wunderbar dessen Sicht auf #MeToo besprechen. Und der Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner könnte mit Mark Forster auf einem Podium über Presse- und Meinungsfreiheit diskutieren.
"GQ" als Vorreiter einer neuen Form der Preisverleihung, gefolgt von Bambule beim Bambi. Das würde diesen zu Events deklarierten Werbeveranstaltungen zwar kaum gerecht werden. Aber spannender wäre es allemal.
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