Es sah gar nicht gut aus für Donald Trump. COVID-19 hält die USA fest im Griff. Immer wieder steigt die Zahl der infizierten Menschen, die Leichenhallen sind in vielen Städten voll. Vor Krankenhäusern stehen LKWs auf den Parkplätzen, in denen die Toten gekühlt werden. Ein irrlichternder Präsident, der keine Verantwortung für nationale Rettungspläne übernehmen will, zu dubiosen Selbstinjektionen rät und sich lange Zeit über das Tragen von Masken lustig gemacht hat, verärgert zunehmend nicht nur seine politischen Gegner. Auch die Unterstützung innerhalb der eigenen Partei fängt an zu bröckeln. Mit jeder neuen Corona-Horrormeldung gewinnt Trumps Herausforderer Joe Biden an Boden. Viele Umfragen vermelden mittlerweile einen zweistelligen Vorsprung.
Selbst einem Donald Trump, der sich die Welt ja gerne so zurechtlegt, wie sie ihm am besten passt, ist mittlerweile klar geworden, dass sich die Wirtschaft nicht bis November erholt haben wird. Im Gegenteil - die furchtbaren wirtschaftlichen Verwerfungen werden mit jeder Woche sichtbarer. So viel Geld kann auch seine Regierung nicht ins System pumpen, um die Auswirkungen bis nach dem Wahltag zu verzögern. Und der Slogan "China ist an allem schuld", dürfte nicht ausreichen, um am Ende genügend Trump-Unterstützer zu haben, um die Wahlen zu gewinnen.
Gewalt schüren, um dann den Retter zu spielen
Andere Präsidenten haben in solchen Situationen Kriege angezettelt. Ein äußerer Feind schweißt zusammen. Kriegspräsidenten werden wiedergewählt.
Donald Trump geht einen anderen Weg. Gezielt verkehrt er die Verunsicherung vieler Amerikaner in blanke Angst. Perfide nutzt er die Brüche, die es in der amerikanischen Gesellschaft seit Anbeginn gibt, um das Land noch weiter zu spalten. Ohne Rücksicht auf Verluste schürt er Gewalt, um sich dann als der Retter in der Not gerieren zu können.
Er tut das mit der gleichen politischen Taktik, die ihm 2016 den Weg ins Weiße Haus geebnet hat: Es sind "die anderen" von denen die Bedrohung ausgeht. Es sind "die anderen", die Schuld sind. Und es sind "die anderen", vor denen er, der starke Mann, seine Anhänger beschützt.
Das ist ein schlichtes Konzept. Aber es wirkt in diesem Land, das seinen inneren Kompass verloren hat. Es wirkt bei den Menschen, bei denen Wut die Hoffnung auf die Verwirklichung ihres amerikanischen Traumes ersetzt hat, in einer Welt, in der die Vormachtstellung der Vereinigten Staaten schwindet. Und es wirkt durch die Bilder, mit denen Donald Trump durch seinen aktuellen politischen Coup die Bildschirme beherrscht.
Trumps unerwünschte Kriegserklärung
Zunächst sollten die anonymen Trump-Truppen historische Statuen schützen. Deshalb hatte der Präsident im Juni ein Dekret erlassen, das ihm erlaubte, Bundespolizei einzusetzen in den Städten, in denen der Protest gegen Polizeigewalt und Diskriminierung von Schwarzen nicht abebbte. Zum Nationalfeiertag am 4. Juli erklärte er zum ersten Mal jenem "linken Mob" den Krieg, der die glorreiche Geschichte Amerikas verunglimpfe. Und tatsächlich suggerieren die Bilder aus Portland kriegsähnliche Zustände. Was man derzeit erlebe, sei schlimmer als Afghanistan, hat er kürzlich im Oval Office gesagt. Und Trumps Taktik scheint zumindest bei seiner Klientel zu verfangen.
Dabei wollen weder die Bürgermeister noch die Gouverneure diese "Unterstützung" aus Washington. Sie wissen, dass die Bundespolizei in ihren Tarnanzügen nicht befriedet, sondern durch ihr brachiales Vorgehen weiteren Krawall provoziert. Sie wollen keine anonymen Kräfte, die Protestierende zusammenschlagen und in Autos zerren.
Aber Trump will diese Bilder. Und er will mehr davon. Denn er sieht darin die letzte Chance, das Weiße Haus zu verteidigen: Durch Gewalt auf amerikanischen Straßen, die Gegenwalt provoziert und ihm die Bilder liefert, die er braucht, um sich dann als Retter aufzuspielen zu können. Die Entsendung weiterer Bundestruppen wird ihm genau dabei helfen.