Was bei RWE, dem zweitgrößten deutschen Energieversorger, derzeit los ist, erkennt man schon, wenn man die Webseite des Unternehmens besucht. Auf rwe.com wird man mit einem großen Hinweis auf Innogy begrüßt, der die halbe Seite einnimmt. Tippt man rwe.de in den Browser, wird man gleich zu Innogy geführt.
Innogy ist der Name der Neugründung, die RWE im vergangenen Herbst erfolgreich an die Börse gebracht hat. Dem neuen Konzern wurde das Geschäft mit Erneuerbaren Energien, Stromnetzen und Vertrieb übertragen - jene Bereiche also, die in der deutschen Energiewirtschaft noch eine Zukunft haben.
Für RWE bleibt damit nur die konventionelle Stromerzeugung, also die Atom-, Kohle- und Gaskraftwerke, mit denen seit der Energiewende kaum noch Geld zu verdienen ist. Der Anteil von rund 75 Prozent, den RWE an der Tochter Innogy hält, ist daher überlebenswichtig. Denn eigentlich ist der Mutterkonzern nur noch eine Art "Bad Bank" des Energiegeschäfts.
Bad Bank des Energiegeschäfts
Dass man von einer Bad Bank erstmal nichts Gutes erwarten kann, wurde heute wieder deutlich. Mit einem Minus von 5,7 Milliarden Euro bewegt sich RWE jetzt in jenen Sphären, in die angeschlagene deutsche Großkonzerne mit ihren Rekordverlusten bereits vorgestoßen sind. Volkswagen musste im vergangenen Jahr ein Minus von 5,5 Milliarden vermelden, bei der Deutschen Bank waren es minus 6,7 Milliarden. Top ist noch immer RWE-Konkurrent Eon sogar mit satten 9,3 Milliarden Verlust.
Zwar betont RWE, das operative Geschäft liege mit einem vorläufigen Nettogewinn von 0,8 Milliarden Euro durchaus im Plan. Verantwortlich für den Rekordverlust sind zum einen "außerplanmäßige Abschreibungen" auf bestehende Kraftwerke. Wenn die Großhandelspreise für Strom sinken, lässt sich mit den bestehenden Anlagen weniger Geld verdienen.
Das ist auch, aber nicht nur der deutschen Energiewende anzulasten. Wären einige Atomreaktoren nicht schon längst abgeschaltet, wäre der Druck auf die Strompreise wohl noch größer. Außerdem hat RWE auch auf seine Kraftwerke in Großbritannien, den Niederlanden und der Türkei Abschreibungen vornehmen müssen.
Sollte es nach der Bundestagswahl neue Auflagen für Kohlekraftwerke geben, oder gar konkrete Pläne zum Ausstieg aus der Kohlekraft, dann sind weitere Abschreibungen sicher.
Zu wenig Vorsorge
Aufs Ergebnis drücken auch die Ende 2016 vereinbarten Zahlungen an den staatlichen Fonds für Kernenergie. An ihn überweist RWE am 1. Juli 2017 insgesamt 6,8 Milliarden Euro - das sind seine Rückstellungen für die Zwischen- und Endlagerung radioaktiver Abfälle, plus Risikoaufschlag.
Auch hier muss man kein Mitleid haben: Letztlich kaufen sich die Energieversorger damit von der Verantwortung für die Atommüll-Endlagerung frei, das eigentliche Risiko trägt der Staat, also der Steuerzahler. Der Kernenergie-Fonds ist damit die eigentliche Bad Bank der Atomwirtschaft.
Dass die Zahlung nun zu einem Rekordverlust beiträgt, belegt wieder einmal eines: RWE und die anderen Versorger haben jahrzehntelang sehr gut von einem Geschäft gelebt, für dessen beträchtliche Risiken sie kaum Vorsorge getroffen haben.
Harter Schlag für Kommunen
Der oft gegen RWE und die anderen Energiekonzerne erhobene Vorwurf, zu lange an einem Geschäftsmodell festgehalten zu haben, das sich überlebt hat, fällt übrigens auch auf zahlreiche deutsche Kommunen zurück. Sie halten mehr als 20 Prozent der RWE-Aktien und konnten mit den Gewinnausschüttungen lange Zeit ihre Haushaltslöcher stopfen.
Die roten Zahlen bei RWE bringen viele Städte und Kreise in Bedrängnis. Schon vor drei Jahren, als RWE erstmals einen Milliardenverlust bekanntgab, mussten sie Wertberichtigungen auf ihre Anteile hinnehmen. Zusätzlich werden sie jetzt bereits zum zweiten Mal bei der Dividende leer ausgehen.
So mancher Kämmerer wird sich wünschen, er hätte es gemacht wie die Düsseldorfer. Schon vor rund zehn Jahren verkaufte die Stadt den Großteil ihrer RWE-Anteile. Damals kostete die Aktie fast 80 Euro, heute nur noch 13 Euro.