Kommentar: Konsens statt Spaltung
30. März 2014Ukrainische Politiker sind nicht dafür bekannt, dass sie freiwillig Verzicht üben, wenn es um Macht und Einfluss geht. Insofern ist Vitali Klitschkos Rückzug aus dem Rennen um das Präsidentenamt ein höchst bemerkenswerter Schritt. Der Vorsitzende der Partei UDAR handelt verantwortungsbewusst. Er will eine Zersplitterung der demokratischen Kräfte verhindern und setzt sich für einen gemeinsamen Kandidaten ein. Deshalb unterstützt er einen Geschäftsmann und Politiker, der den Umfragen zufolge derzeit die besten Chancen hat, den Präsidentenposten nach der Wahl am 25. Mai zu übernehmen: Petro Poroschenko.
Der Milliardär und Eigentümer mehrerer Unternehmen ist nicht unumstritten, weil er zu jenen Oligarchen gehört, deren politischer Einfluss auch dem Geschäft zugute kam. Aber Poroschenko ist vermutlich der einzige unter den Bewerbern, dem es gelingen könnte, das politisch zerstrittene und wirtschaftlich marode Land aus der Krise zu führen. Der "Schokoladenkönig" - wie Poroschenko auch genannt wird, weil ihm der Süßwarenhersteller Roshen gehört - hat die Protestbewegung auf dem Maidan unterstützt. Aber er diente auch als Minister in verschiedenen Regierungen. Er ist ein moderater Politiker, der auf politischen Kompromiss, eine Annäherung an Europa und auf Verständigung mit Russland setzt.
Neuer Präsident braucht möglichst breiten Rückhalt
Politiker mit der Fähigkeit zu Konsens und Ausgleich braucht die Ukraine dringend. Nach dem Sturz des kriminellen Janukowitsch-Regimes steht das Land vor gewaltigen Aufgaben: Die wirtschaftliche Lage ist katastrophal. Dringend benötigte Milliardenhilfen vom IWF werden nur ausgezahlt, wenn das Land Wirtschaftsreformen durchführt. Sie bedeuten einschneidende Veränderungen für die Menschen. Zudem wird das Land von Russland bedroht: erst durch die Annexion der Krim im Süden und jetzt vor allem durch den massiven Truppenaufmarsch entlang der Grenze im Osten.
Unter diesen Bedingungen ist die Präsidentenwahl eine Herausforderung. Es muss verhindert werden, dass das Land auseinander bricht. Radikale Kräfte am linken und rechten Rand spielen bei der Wahl nur eine untergeordnete Rolle. Im Vordergrund steht eine Politik der nationalen Versöhnung. Polarisierungen im Wahlkampf wären schädlich. Deshalb ist es richtig, wenn Klitschko sich für eine Vereinigung aller demokratischen Kräfte im Wahlkampf einsetzt. Der künftige Präsident benötigt einen möglichst breiten Rückhalt in der Bevölkerung.
Timoschenko könnte das Land polarisieren
Auf eine Politik der Spaltung scheint allerdings Julia Timoschenko zu setzen. Die Ex-Ministerpräsidentin ist nach dem Rückzug Klitschkos die wichtigste Konkurrentin von Poroschenko. Doch ihre Kandidatur dürfte kaum geeignet sein, um das Land im Inneren und nach Außen zu stabilisieren. In ihrer Zeit als Regierungschefin sorgte Timoschenko mit ihren Alleingängen oft für Streit. Das trug auch dazu bei, dass der Autokrat Janukowitsch an die Macht gelangte und das Land ins Chaos stürzte.
Kaum zurück auf der politischen Bühne, sorgt Timoschenko mit anti-russischen Tiraden für eine neue Polarisierung. Ihre Eignung für das Präsidentenamt stellt sie so gewiss nicht unter Beweis. Mit ihrer Bewerbung tut sie der Ukraine keinen Gefallen. Noch steht ihre Partei "Vaterland" hinter ihr. Die Mehrheit der Wähler aber tut das den aktuellen Umfragen zufolge nicht.
Die Menschen in der Ukraine wollen einen politischen Neuanfang. Dazu gehören Politiker, die das Land einen und reformieren können. Konsens stiften und keine Spaltungen herbeireden - das wird die Aufgabe des neuen Präsidenten sein. Nach dem Verzicht Klitschkos könnte Petro Poroschenko - der "Schokoladenkönig" - dieser neue Mann an der Spitze der Ukraine werden. Die Wähler in der Ukraine werden es am 25. Mai entscheiden