IWF in europäischer Hand?
19. Mai 2011Im November vergangenen Jahres hat der Internationale Währungsfonds eine grundlegende Reform auf den Weg gebracht. Sie verschiebt die Quoten der Anteilseigner und damit auch die Stimmrechte im IWF zugunsten der BRIC-Staaten- das sind Brasilien, Russland, Indien und China. Sie sollen wegen ihrer wachsenden Bedeutung für die Stabilität der Weltwirtschaft in die Top Ten der IWF-Mitglieder aufsteigen. Die USA, Japan, Deutschland, Frankreich und Großbritannien bleiben aber weiterhin an der Spitze der Länder mit den größten Kapital- und Stimmanteilen im IWF. Die USA halten als wichtigster Geldgeber sogar eine Sperrminiorität, weil sie rund 16 Prozent der Stimmrechte besitzen. Beschlüsse müssen im IWF-Direktorium mit 85 Prozent der Stimmen gefasst werden.
Die Reform soll bis zum Ende des Jahre 2012 umgesetzt und 2013 noch einmal überprüft werden. Seit der Gründung der Finanzinstitutionen Weltbank und Währungsfonds nach dem Zweiten Weltkrieg galt die Absprache, dass die USA die Weltbank führen und ein Europäer den Währungsfonds. Diese Absprache hat auch heute noch ihre Berechtigung nach dem Motto: Wer die Musik bezahlt, darf auch bestimmen, was gespielt wird.
Da die Reform der Kapitalanteile noch nicht umgesetzt ist, wäre es jetzt zu früh, einen Finanzfachmann aus einem BRIC-Staat an die Spitze dieser wichtigen, für viele Staaten überlebenswichtigen Institution zu berufen. China ist zwar für die Weltwirtschaft nach den USA von zentraler Bedeutung, aber China ist nach wie vor ein undemokratischer Ein-Parteien-Staat, der auf Menschenrechte nicht viel gibt. Insofern ist es kaum vorstellbar, einen Chinesen an die IWF-Spitze zu stellen. Geht man nach der wirtschaftlichen Leistungkraft der Bevölkerung pro Kopf sind die USA, Japan, und Europa immer noch die leistungfähigsten Wirtschaftsräume der Welt. Hinzu kommt die Erfahrung, die ein Europäer mit den internationalen Finanzsystemen mitbringen würde. Nicht zu vergessen: Der Euro ist die zweitwichtigste Währung der Welt. Die chinesische Währung ist nicht einmal frei handelbar.
Außerdem müssen die Europäer angesichts der noch nicht überwundenen Schuldenkrisen in Europa ein großes Interesse daran haben, einen der ihren an der Spitze des IWF zu plazieren. Schließlich soll sich der IWF auch weiter mit rund einem Drittel an allen Rettungsschirmen und Notkrediten beteiligen.
Vier der bislang zehn IWF-Direktoren kamen aus Frankreich. Es muss also nicht unbedingt wieder ein Franzose sein, zumal mit Pascal Lamy ein Franzose die Welthandelsorganisation führt. Geht man stur nach den Stimmanteilen wäre eigentlich auch Deutschland wieder an der Reihe. Deutschland hat zwar den drittgrößten Kapitalanteil, hat aber mit Horst Köhler erst einmal den IWF-Direktor gestellt. Hätte es sich der zurückgetretene Bundesbank-Präsident Axel Weber nicht mit Kanzlerin Merkel verdorben, wäre er ein geeigneter Kandidat.
Als Kompromiss-Kandidat zwischen Europäern und BRIC-Staaten wäre vielleicht der ehemalige türkische Wirtschaftsminister Kemal Dervis denkbar. Er ist ein ausgewiesener Fachmann, hat in der Weltbank gearbeitet, unterstützt den Weg der Türkei in die EU und kommt gleichzeitig aus einem aufstrebenden Staat.
Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Beate Hinrichs