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Politik

Aufstand gegen Netanjahu?

Peter Philipp Kommentarbild APP PROVISORISCH
Peter Philipp
24. Dezember 2019

Israel steckt in der Sackgasse, denn dass die dritten Wahlen innerhalb eines Jahres fundamental anders ausgehen, glaubt bisher kaum jemand. Entscheidend ist daher, was im Likud selbst passiert, meint Peter Philipp.

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Israel | Benjamin Netanjahu
Bild: Getty Images/AFP/G. Tibbon

Am 2. März soll gelingen, was bereits im April und im September misslungen ist: Eine dritte Parlamentswahl binnen eines Jahres soll in Israel klare politische Verhältnisse schaffen. Vor allem: Eine Regierung, die über eine deutliche Mehrheit verfügt und damit elf Monaten ein Ende setzt, in denen Israel von der "Übergangsregierung" dirigiert wurde, die eigentlich bereits zweimal hätte abgewählt werden oder aber ihr Mandat offiziell hätte erneuern können. Mit Benjamin Netanjahu an der Spitze, dem am längsten amtierenden israelischen Regierungschef, gleichwohl aber auch dem ersten, dem während seiner Amtszeit Prozesse wegen Korruption ins Haus stehen.

Netanjahu ist Führer des rechtsnationalen Likud und er hat sich in den Kopf gesetzt, dies auch zu bleiben - komme, was wolle. Schon die Bekanntgabe der Klageerhebung gegen ihn hat er als Intrige und "Putschversuch" bezeichnet und auf das Heftigste attackiert. Gleichzeitig aber hat die Zeit bis zur Festsetzung des neuen Wahltermins im März 2020 bei ihm die Überzeugung gefestigt, dass er - und nur er - das Land aus der verfahrenen Situation würde retten können und dass das juristische Vorgehen gegen ihn ihm letztlich vielleicht sogar nützen könnte.

Der Hardliner Netanjahu stärkt die Fronten

Denn bei aller Kritik am Regierungschef selbst aus den eigenen Reihen: Eine Mehrheit im Likud scheint die Ansicht Netanjahus zu teilen, dass hier ungerechtfertigte Hatz gegen einen Politiker betrieben wird, der wie kein anderer vor ihm die Grundlinien nationalistischer Politik vertritt: in der Frage der Siedlungen in den von Israel 1967 eroberten Gebieten, in der kompromisslosen Haltung gegenüber den Palästinensern - selbst denen, die Staatsbürger Israels sind. Wie auch gegenüber dem Iran, der mit seiner Israel-feindlichen Polemik für Netanjahu längst zum "Staatsfeind Nummer Eins" geworden ist.

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Peter Philipp war viele Jahre Korrespondent in Israel Bild: DW

Auch innenpolitisch hat Hardliner Netanjahu die Fronten gestärkt: So verketzerte er den Oppositionsblock Blau-Weiß von dessen erstem Auftreten an als "links" und "linksradikal". Und selbst wenn sich dies längst als falsch erwiesen hat: Der politische Gegner hat es nach Meinung Netanjahus allemal verdient, als Gefahr für das Land hingestellt zu werden. Eine Einstellung, die inzwischen selbst vor Kritikern aus den eigenen Reihen nicht Halt macht: Diese werden als "Verräter" gebrandmarkt, und Netanjahu versucht sie loszuwerden.

Aufstand der Partei-Jugend

Zum Beispiel die paar Hundert Mitglieder des "Jungen Likud": Ihnen wurde kurzerhand die Mitgliedschaft im Likud gekündigt oder doch zumindest in Frage gestellt. Denn sie hatten dafür plädiert, am 26. Dezember parteiintern über eine neue Parteispitze und auch eine neue Kandidatenliste für die kommenden Wahlen abzustimmen. Natürlich haben sie vor allem Netanjahu im Visier. Zum ersten Mal in Jahren hat sich nämlich ein Gegenkandidat für ihn gefunden: Gideon Sa'ar gehört seit Jahren dem Likud an, hat wiederholt als Abgeordneter und auch als Minister fungiert und nun ist er angetreten, um Netanjahu dessen Führungsrolle strittig zu machen.
Kaum einer glaubt, dass Sa'ar damit Erfolg haben wird. Schon allein deswegen nicht, weil der Likud noch nie einen Parteichef abgesetzt oder abgewählt hat. Aber es ist doch ein deutliches Zeichen, dass die Ära Netanjahu sich ihrem Ende nähert. Politische Beobachter sehen darin ein positives Zeichen dafür, dass Israel dann vielleicht zurückkehren könne zu der einstigen Vorbild-Rolle als "einzige Demokratie in Nahost".

Keine Änderung absehbar - nicht in Israel, nicht bei den Palästinensern

Bis dahin könnte es aber noch ein langer Weg sein. Denn Experten prognostizieren den Wahlen im März ein ähnliches Ergebnis wie den beiden jüngsten Wahlen. Und wenn sich bis dahin nicht wirklich drastische Entwicklungen ergeben, wird Israels Hängepartie weiter andauern. Die wahrscheinlichste unter diesen möglichen "drastischen Entwicklungen" dürfte der angekündigte Prozess gegen Netanjahu sein. Aber so argumentiert man nun schon seit einem Jahr - und nichts hat sich geändert.

Nichts geändert hat sich auch in der direkten Nachbarschaft: In Palästina aber spart man sich Wahlen alle paar Monate: Seit 2006 ist in den "autonomen Gebieten" nicht mehr gewählt worden. Palästinenserpräsident Abbas hat nun wissen lassen, er plane Neuwahlen und er forderte Israel auf, den Arabern im von Israel annektierten Ostjerusalem die Teilnahme zu gestatten. Bisher hat die Regierung Netanjahu nicht reagiert, vielen gehen aber davon aus, dass sie ablehnen wird und auch hier alles beim Alten bleibt.