Eine Show aus einer anderen Zeit! Nicht mehr zeitgemäß! Nur PS und Protz - wo bleiben die Innovationen? So lauten die Schlagzeilen von der North American International Auto Show (NAIAS) in Detroit in diesem Jahr. Und zugegeben, auch meine erste, instinktive Reaktion auf das, was hier zu sehen ist, war: Jawoll - hier sind halt jede Menge Autos, und nicht viel mehr. Eher was für Leute, die auch gerne mal am Samstagvormittag durch die Showrooms des lokalen Autohändlers schlendern. Wie langweilig!
Die Motor Show in Detroit ist kein Cirque de Soleil, nicht einmal eine Innovationsmesse wie die CES in Las Vegas. Detroit ist nicht die Zukunft. Aber die Gegenwart. Und in der Gegenwart wollen die Kunden in den USA halt SUVs und Pickup-Trucks. Also bekommen sie SUVs und Pickup-Trucks.
Alles da, man muss es nur finden
Aber es ist ja nicht so, dass die Branche die Zukunft ignoriert: Jeder große Hersteller hier hat mindestens ein Elektro- und/oder Hybrid-Fahrzeug im Angebot. Mercedes will in den nächsten Jahren die komplette Flotte auch elektrisch anbieten. BMW nennt sich jetzt schon E-Mobility-Marktführer im Luxus-Segment. Und alle erwarten große Steigerungsraten bei Elektrofahrzeugen von derzeit rund ein Prozent auf bis zu 15 Prozent Marktanteil in den nächsten zehn Jahren, und bereiten sich darauf vor. Auch "Konnektivität" und "Autonomes Fahren", die neuen Zauberworte der Technik - sind präsent. Allerdings eben eher als Nischenthemen, als interessante Konzepte für spätere Zeiten.
Viel wurde auch darüber berichtet, dass manche Hersteller, die deutschen zumal, gar nicht mit der allerersten Vorstandsgarde angereist seien, mit Ausnahme von Daimler-Chef Dieter Zetsche, der, vielleicht auch aus alter Verbundenheit mit Detroit, persönlich die neue G-Klasse der Öffentlichkeit vorstellte. Noch schlimmer: Einige Hersteller, gerade die neuen, innovativen Wettbewerber wie Tesla, lassen Detroit komplett aus, wurde aufgeregt gemeldet. Andere wie Waymo (Googlecars) sind zwar dabei, stecken aber nicht viel Aufwand und Geld in ihren Auftritt.
An den Ständen derer, die in voller Stärke auf der NAIAS präsent sind, verursacht das eher Schulterzucken: Mehr Platz und Aufmerksamkeit für uns, meint ein Pressesprecher eines großen deutschen Unternehmens. Und verweist darauf, dass die TV-Frühstückssendungen in den USA trotzdem voll sind mit Berichten aus Detroit.
Wo also ist das Problem?
Vielleicht sind das Problem ja eher wir Journalisten: Auf der Suche nach dem immer Neuen, abgestumpft von der nun schon x-ten Auto-Show, die man "covern" muss, wendet sich die berichtende Zunft mit Naserümpfen und Grausen: Igitt, schon wieder nur Autos!
Die Auto-Industrie jedenfalls sieht Detroit offenbar ganz pragmatisch: Als Gelegenheit zur Werbung und Selbstdarstellung auf einem der nach wie vor wichtigsten Märkte der Branche weltweit.
BMW - von Präsident Trump persönlich wegen zu großer Erfolge als Feind der US-Autoindustrie ausgemacht - stellt immer wieder seine tiefe Verwurzelung in Amerika, seine Milliardeninvestitionen und jobsichernden US-Produktionsstätten heraus: "We call the United States our second home", sagt Finanzvorstand Nicolas Peter in jedes Mikrofon. VW, unter besonderer Beobachtung seit dem Diesel-Skandal, präsentiert sich als geläutert, verlässlich und wieder auf der Erfolgsspur. Chevrolet präsentiert den neuen Silverado (Groß! Pick-Up-Truck! Benzinschleuder! Pfui!) - und zumindest das amerikanische Publikum ist begeistert. Alfa Romeo wirbt sehr italienisch und in Zeiten von #MeToo natürlich völlig inakzeptabel mit hübschen Hostessen in lasziv geschnittenen Kostümen.
Ford zeigt eine Neuauflage des Kult-Mustangs "Bullitt", die Nissan-Luxusmarke Infiniti die Studie "Q Inspiration" mit innovativem 4-Zylinder-Verbrennungsmotor, besonders effizient, aber eben weder Hybrid noch Elektro.
Man mag das alles mögen oder nicht - aber es sind die Kernbotschaften, die die Konzerne in Amerika unters Volk bringen wollen. Und Detroit gibt ihnen die Gelegenheit dazu. Es ist eine Auto-Show. Nicht jedermanns Sache. Aber wichtig für die Branche. Und das wird auch das nächste Jahr wieder so sein - wenn gelangweilte Journalisten wieder einmal sagen werden: Ist ja immer das gleiche, aus der Zeit gefallen. Und so weiter. Und so fort.
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