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Hoher Preis für Videobeweis

3. März 2018

Der Videobeweis gehört jetzt zum Regelwerk des Fußballs. Durch die Reform, die einige sogar als Revolution bezeichnen, verliert der Fußball einen Teil dessen, was ihn ausmacht, meint DW-Sportredakteur Stefan Nestler.

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Fußball Bundesliga Videobeweis
Bild: picture-alliance/dpa/D. Reinhardt

Warum wird Fußball in aller Welt gespielt, in reichen Industriestaaten genauso wie in den ärmsten Entwicklungsländern? Weil die Regeln ziemlich einfach sind - und die benötigte Ausrüstung minimal: Eine Dose kann genügen, dazu zwei Steine als Pfosten, und schon kann das Spiel beginnen. Wie passt dazu der Videobeweis, der jetzt vom International Football Association Board (IFAB) ins Regelwerk aufgenommen wurde? Eigentlich gar nicht. Nach dem Beschluss des IFAB bleibt es den Ligen und Verbänden überlassen, ob sie den Videobeweis nutzen oder nicht. Der Zusatz "können" wäre ehrlicher gewesen: In ärmeren Ländern fehlt schlicht das Kapital, um sich die aufwendige und teure Technik zu leisten. Die Schere zwischen arm und reich wird auch im Fußball weiter auseinander gehen.

Fehler gehören dazu

Und hebt der Videobeweis den Fußball wirklich auf eine neue Stufe, wie FIFA-Chef Gianni Infantino nicht müde wird zu betonen? Bringt er tatsächlich "mehr Fairness"? Die Erfahrungen in der Bundesliga in dieser Saison stimmen nachdenklich. Es mag sein, dass in der Summe die Entscheidungen etwas gerechter geworden sind. Aber zu welchem Preis? Der Fan in der Kurve kann sich über ein Tor kaum mehr ausgelassen freuen, weil er fürchten muss, dass der Treffer hinterher per Videobeweis kassiert wird. Quälende Minuten können vergehen, bis die Entscheidung fällt. Das Spiel ruht in dieser Zeit, der Fluss ist dahin, die Emotion ausgebremst. Doch eben diese Emotionalität macht doch den Fußball aus. Über 150 Jahre lang gehörten Fehlentscheidungen einfach dazu. Die Fans ärgerten sich darüber, aber sie lebten damit - weil ihnen klar war, dass auch Schiedsrichter nur Menschen sind und Fehler machen können.

Vorläufigkeit als Prinzip

Der Videobeweis soll die Schiedsrichter entlasten. In dieser Bundesliga-Saison wirkten jedoch viele Pfeifenmänner durch die vermeintliche Unterstützung eher verunsichert. Früher galt ihr Wort, man sprach von einer Tatsachenentscheidung. Diese Autorität wird durch den Videobeweis angetastet, manchmal sogar untergraben. Heute sind die wichtigsten Entscheidungen der Schiedsrichter vorläufig, weil sie von den Videoassistenten widerrufen werden können. Im schlimmsten Fall, bei gravierenden Fehlern, werden die Unparteiischen sogar regelrecht vorgeführt: als Deppen, die alles falsch gesehen haben. Das gab es natürlich auch schon früher, spätestens seit Einführung der Zeitlupe im Fernsehen. Doch immerhin konnte sich der Schiri damals noch darauf verlassen, dass er wenigstens 90 Minuten lang der Chef auf dem Platz war.

Eher Chaos als Klarheit?

Fußball WM England 1966 Das Wembley Tor
Streitfall "Wembleytor" 1966Bild: picture-alliance/ dpa

Aller Voraussicht nach wird der Videobeweis auch bei der WM in Russland eingesetzt. Es wird spannend sein zu beobachten, ob die Schiedsrichter und ihre Videoassistenten aus aller Welt in der Kürze der Zeit auf den Einsatz der Technik gut genug vorbereitet sind. Andernfalls dürfte der Videobeweis eher für Chaos, als für Klarheit sorgen. Und mal ehrlich: Welche Nation ist wirklich aufgrund einer gravierenden Fehlentscheidung eines Schiedsrichters Weltmeister geworden? England 1966, werden jetzt viele schreien. Um den Fall "Wembleytor" zu lösen, hätte jedoch bereits die Torlinien-Technologie ausgereicht. Den Videobeweis hätte es nicht gebraucht.

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DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter