Große Töne in Florenz
Die Höflichkeit französischer Diplomatie schreibt vor, den Beitrag der Gegenseite mit freundlichen Worten zu würdigen. So lobte denn auch EU-Chefunterhändler Michel Barnier nach der Rede von Theresa May deren konstruktiven Ton. Um dann zu mahnen, der gezeigte gute Wille müsse nun aber auch in konkrete Verhandlungspositionen umgesetzt werden, wenn man nachhaltigen Fortschritt wolle. Und genau daran fehlt es auch nach Florenz weiter, es sei denn Brexit-Minister David Davis käme am Montag mit einer großen Tasche voller detaillierter Vorschläge zur nächsten Gesprächsrunde nach Brüssel.
Ein Schwall von hehrer Rhetorik
Zu Teilen klang die Rede der Premierministerin, als ob sie sich um die Mitgliedschaft in der EU bewerben wolle, so leidenschaftlich sprach sie von den gemeinsamen Herausforderungen, Bedrohungen und Werten, die man nur zusammen meistern könne. Aber dennoch, beruhigte Theresa May die Brexiteers im eigenen Lager, wolle Großbritannien den Brexit, weil man sich in der Europäischen Union ja nie richtig zu Hause gefühlt habe.
Aber was sollte der Schwall von großen Worten, die Schmeichelei, die Beschwörung einer Zukunft Seit an Seit mit den Europäern? Ein bisschen Klimaverbesserung mag den festgefahrenen Brexit-Gesprächen wohl gut tun. Aber was die Europäer wirklich wollen sind konkrete Vorschläge, klare Verhandlungspositionen zu den Themen, die Basis der Scheidungsvereinbarung zwischen dem Königreich und der EU sein sollen. Erst danach, und hier hat sich nichts geändert, wird Phase 2 über die künftigen Beziehungen eröffnet.
Etwas Fortschritt, aber zu vage und zu wenig
Bei den Rechten der EU-Bürger in Großbritannien geht Theresa May immerhin einen Schritt nach vorn: Sie sollen unabänderlich direkt von der Brexit-Vereinbarung garantiert werden. Aber britische Richter seien in Streitfällen zuständig. Das dürfte den Betroffenen und dem Europaparlament nicht genügen. Die Premierministerin wandte sich in diesem Zusammenhang auch direkt an die 600.000 in Großbritannien lebenden Italiener, schließlich war man in Florenz. Sie sollten sich doch bitte weiter geschätzt und willkommen fühlen. Aber ihre Beschwörung wäre glaubhafter, wenn nicht das Innenministerium in London unlängst wahllos Deportationsandrohungen an europäische Bürger oder ihre Ehepartner verschickt hätte.
Zur Nordirlandfrage hatte May nichts weiter anzubieten, als den bekannten Wunsch beider Seiten, es solle keine harten Grenzen geben. Wie sie das aber sicherstellen will, steht in den Sternen. Vielleicht ist es eine der Fragen, bei der die britische Regierungschefin gerne bei der EU jene Kreativität sähe, die sie in ihrer Rede ständig beschwor. Aber da kann sie lange warten, Brüssel fordert konkrete Lösungsvorschläge aus London.
Zur Brexit-Rechnung wiederum versprach Theresa May zum ersten Mal, sie werde die Lücke in der laufenden Haushaltsperiode bis 2020 ausgleichen. Allerdings bleibt unklar, welchen Teil der Kosten in welcher Höhe die britische Regierung bereit ist zu bezahlen. Und wenn es tatsächlich zu einer Übergangsperiode kommen sollte, müsste London dafür sowieso Beiträge zahlen. Auch in dieser Frage ein wenig Bewegung, aber bei weitem nicht genug.
Ein Übergang wohin?
Der Brexit-Beauftragte im Europaparlament lobte immerhin, Theresa May zeige jetzt etwas Realitätssinn, wenn sie um eine Übergangsperiode bitte. Allerdings steckt auch hier der Teufel im Detail: Die EU bietet eine solche Phase nur zu den gegenwärtigen Bedingungen an. D.h., nach dem 29.März 2019 würde sich zunächst für die Briten wenig ändern. Rechte und Verpflichtungen würden weiter laufen wie bisher, das Land verlöre nur seine Stimme in der EU. Hier tun sich wieder neue Konflikte auf, denn ganz so stellt sich May das nicht vor. Die EU wiederum lehnt eine Menu-Auswahl in dieser Frage kategorisch ab.
Die Premierministerin hat deutlich gesagt, was sie beim künftigen Verhältnis zur EU alles nicht will. Sie will nicht das norwegische Modell, weil es ihr zu nah an der Mitgliedschaft ist. Sie will auch kein Zoll- und Handelsabkommen wie mit Kanada, weil ihr das nicht genug ist. May will im Prinzip eine maßgeschneiderte Lösung, die das Land nichts kostet aber ihm möglichst viele Vorteile sichert. So einen Brexit Deluxe aber haben die Europäer nicht im Angebot, da baut die britische Regierungschefin weiter Luftschlösser. Und wenn es zum Tausendsten Mal gesagt wird: Großbritannien wird den Kuchen nicht haben und aufessen können.
Das war kein Durchbruch
Im Grunde hat Theresa May ihre Probleme auf die lange Bank geschoben: Machen wir erst einmal einen Übergang, und dann findet sich der Rest. Der Verhandlungsdruck aber steigt weiter, denn sie hat die hohen Erwartungen nicht erfüllen können, die sie vor ihrer Rede aufgebaut hatte. Zu unkonkret, zu viel leere Rhetorik, zu wenig Verständnis für die Realität europäischer Regeln - Theresa May ist mit ihrer Rede in Florenz zu kurz gesprungen. Die EU wird ihr den Wunsch wohl nicht erfüllen, schnell mit den Gesprächen über die Zukunft anzufangen und die lästigen Scheidungsmodalitäten beiseite zu legen. In vielen Hauptstädten ist man genervt über die Unentschiedenheit in London. Daran hat sich auch nach schönen Worten vor der grandiosen Kulisse von Florenz nichts geändert.
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