Fluchtursachen bekämpfen braucht langen Atem
Die Bundeskanzlerin hat versucht, mit ihrer Reise nach Mali und Niger ein Ausrufezeichen zu setzen. Und zwar hinter den schlichten Satz: "Wir müssen uns mehr als bisher um diese Staaten kümmern - weil es in unserem eigenen Interesse liegt." Das Interesse ist klar definiert: Es sollen weniger Migranten kommen.
Dass mit Merkel erstmals überhaupt eine deutsche Regierungschefin nach Mali und Niger reiste - das sagt viel über das politische Desinteresse, das zwei der ärmsten Staaten der Erde von Deutschland bisher entgegen gebracht wurde. Das soll sich jetzt ändern - jedenfalls ist das die Ankündigung. Wieder einmal. Denn es gab ja in den zurückliegenden Jahren keinen Mangel an Afrika-Konzepten. Die wurden nur nie zur politischen Priorität.
Mal sehen, wie lange die neue Aufmerksamkeit der Kanzlerin für Mali und Niger diesmal anhalten wird. Denn die politische Überschrift "Fluchtursachen bekämpfen" klingt ja schick. Fraglich ist nur, was konkret passiert.
Mali und Niger: Woran es konkret hapert
Nehmen wir das Beispiel Mali und die Entwicklungshilfe: Deutschland und andere Staaten wuchten seit vielen, vielen Jahren hunderte Millionen Euro an Entwicklungshilfe in das riesige Land. Damit werden beispielsweise Dezentralisierungs-Projekte gefördert, malische Kommunal- und Regionalpolitiker sowie Verwaltungsleute geschult. Die eigentliche Dezentralisierung lässt aber weiterhin auf sich warten. Weil die Zentralregierung in Mali nicht wirklich bereit ist, Macht - und das bedeutet immer: Geld - an die Regionen und Kommunen im Land abzugeben. Sie sitzen weiterhin lieber selbst auf den Geldtöpfen, die ihnen die internationale Gemeinschaft nach wie vor füllt. So ändert sich aber nicht wirklich etwas in dem Land, in dem die sehr unterschiedlichen Regionen von der Gnade der wohlgenährten politischen Eliten in der Hauptstadt Bamako abhängig sind.
Nehmen wir das Beispiel Niger und die Sicherheitszusammenarbeit: Europäische Polizisten und Zöllner schulen dort ihre nigrischen Kollegen. Die sollen lernen, die Grenzen des Landes besser zu schützen. Denn durch Niger werden pro Jahr etwa 120.000 Migranten in Richtung Libyen geschleust. Die Migranten hoffen auf ihr Traumziel Europa, die Schleuser-Mafia sahnt ab. Da kassieren viele Leute, die früher im Tourismus rund um die legendäre Wüstenstadt Agadez ihr Geld verdient haben. Der Tourismus brach zusammen, als sich die Sicherheitslage verschlechterte. Deshalb sind viele Ex-Touristenführer umgestiegen und verdienen heute sehr viel Geld an den Migranten. Auch die Polizisten halten die Hand auf: Denn sie kassieren dafür, dass sie alle Augen zudrücken, wenn ein neuer Schleuser-Transport durch die Teneré-Wüste Richtung Libyen startet. Konkret heißt das: Schleuser und korrupte Polizisten müssen von den Behörden in Niger konsequent strafrechtlich verfolgt werden. Sonst machen sie munter weiter. Und die Menschen in der Wüstenstadt Agadez müssen eine attraktive wirtschaftliche Alternative sehen, sonst werden sie ihr mafiös organisiertes Geschäft mit den Migranten nicht sein lassen. Beide Punkte sind bisher ungelöst. Und es mangelt an konkreten Konzepten.
Bestenfalls ein Anfang
Insofern kann das Ausrufezeichen, das Angela Merkel mit ihrer Reise nach Mali und Niger gesetzt hat, allenfalls ein Anfang sein. Der Anfang für ein Engagement, das nur Erfolg haben kann, wenn man über Jahrzehnte - ja, Jahrzehnte - konsequent mit diesen Staaten arbeitet. Und einen Weg findet, die Zusammenarbeit auch einer wirksamen Qualitätskontrolle zu unterwerfen. Gelingt das nicht, dann bleibt die schöne Überschrift vom "Fluchtursachen bekämpfen" eben nur eine Überschrift.
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