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Politik

Fake-Gefühle zum SPD-Umfragehoch

8. Februar 2017

Schneller, höher, weiter - dieses Motto gilt plötzlich für eine Partei, der lange das Verlierer-Image anhaftete. Das hat auch mit dem Geschäftsmodell der Meinungsforscher zu tun - glaubt Marcel Fürstenau.

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Deutschland Martin Schulz und Angela Merkel
Bild: picture alliance/dpa/U. Baumgarten

"SPD unter 20 Prozent!". Diese Schlagzeile hat es wirklich gegeben. Im April 2016. Gefühlt ist das eine Ewigkeit her. Inzwischen überbieten sich die Meinungsforschungsinstitute beinahe täglich mit neuen Bestmarken für die SPD: 2. Februar 28 Prozent (Infratest Dimap), 5. Februar 29 Prozent (Emnid), 6. Februar 31 Prozent (Insa). Wenn das so weitergeht, kann die Partei des Kanzlerkandidaten Martin Schulz nach der Bundestagswahl im September mit absoluter Mehrheit allein regieren…

Dieser süße Traum wird manchen Genossen des Nachts angesichts des Umfrage-Aufschwungs derzeit kommen. Spätestens beim Wachwerden wird ihnen jedoch klar, dass es sich um eine Illusion handelt. Und trotzdem: Sozialdemokratische Herzen schlagen momentan höher, weil Meinungsforscher eine rosa-rote SPD-Gegenwart malen, die wie ein Versprechen auf die Zukunft wirkt. Das emotionale Hoch ist fast schon schwindelerregend. Kann es wirklich sein, dass aus einem hässlichen Entlein in so rasender Geschwindigkeit ein bildhübscher Schwan wird? Ist das Wahlvolk tatsächlich so wankelmütig und schnell beeinflussbar?

Umfragen sind ein beliebtes Spiel mit vielen Unbekannten 

Schon melden sich die ersten Skeptiker zu Wort. Klaus-Peter Schöppner zum Beispiel, der lange Zeit Geschäftsführer bei Infratest war. "Ich glaube das nicht wirklich", kommentierte er gegenüber der "Berliner Zeitung" den vom Insa-Institut im Auftrag der "Bild" ermittelten SPD-Höchstwert von 31 Prozent. Damit liegt die Koalitionspartnerin von Bundeskanzlerin Angela Merkel sogar vor den Unionsparteien CDU/CSU, die gemeinsam auf 30 Prozent kommen.

Kommentarfoto Marcel Fürstenau Hauptstadtstudio
DW-Hauptstadtkorrespondent Marcel FürstenauBild: DW/S. Eichberg

"Durch Nichtstun kann man nicht einen so schnellen Meinungsumschwung erreichen", behauptet Umfrage-Profi Schöppner.

Wenn das stimmt, stellt sich die Frage nach der Seriosität seiner Branche, der er seit 2014 mit einer eigenen Firma (Mentefactum) weiterhin angehört. Dabei basieren die Umfragen - hoffentlich - auf wissenschaftlichen Methoden. Sonst müsste ihnen das Gütesiegel "repräsentativ" aberkannt werden. Das aber kann sich niemand leisten, denn auf dem weiten Feld der Meinungsforschung buhlen viele Institute um Kunden.

Umfragen haben im Jahr der Bundestagswahl 2017 Hochkonjunktur

Von mangelnder Nachfrage kann dabei gerade keine Rede sein - im Gegenteil. Umfragen haben in einem Jahr mit einer Bundestags- und drei Landtagswahlen Hochkonjunktur. Bei diesem Spiel mischen traditionell auch Medien als Auftraggeber kräftig mit. Ein Befund, der seit der Nominierung des Merkel-Herausforderers Schulz vor zwei Wochen mehr denn je gilt. Mit den rasant in die Höhe schnellenden Werten für die SPD steigt natürlich die Spannung auf die nächste Umfrage. Wie auch immer sie ausfällt, für eine Schlagzeile ist sie immer gut. Und damit für verkaufte Auflagen, Einschaltquoten oder Klicks.

Immer mehr Umfragen in immer schnellerer Taktung beeinflussen natürlich auch die Meinungsbildung der Befragten. Vor allem dann, wenn die aktuelle Situation Spannung verspricht. Und das ist seit der überfallartigen Schulz-Kür eindeutig der Fall. Wie aus dem Nichts erscheint eine rechnerische Mehrheit für SPD, Grüne und Linke möglich, die noch im Dezember absolut aussichtslos erschien. Solche Trends können auch die Folge von herbei gefragten Gefühlen sein. Wobei Fake-Gefühle immer noch besser sind als Fake-News.

Martin Schulz: "Umfragen sind Umfragen"

Dem Auslöser dieser neuen Entwicklung wird schon ein bisschen mulmig, wenn er an den Hype um seine Person denkt. "Umfragen sind Umfragen", sagt Schulz betont nüchtern. Zugleich betont er, im Wahlkampf auf Emotionen setzen zu wollen. Die SPD müsse beweisen, "dass wir nicht nur Kopfmenschen sind". Wie gut es ihm und seiner Partei gelingt, diese Strategie umzusetzen, wird sich in den kommenden Wochen und Monaten regelmäßig überprüfen lassen: an den Umfrage-Ergebnissen.

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