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Die Zeit ist reif!

19. Juli 2017

Nach vier Jahren NSU-Prozess beginnen nun die Plädoyers. Im Herbst könnten die Urteile gesprochen werden. Gut, dass dieses Kapitel einer unbefriedigenden Aufklärung damit bald zu Ende geht, meint Marcel Fürstenau.

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Verhandlungstag im NSU Prozess Ein Schild mit der Aufschrift Angeklagte Zschaepe
Bild: Imago/S. Widmann

Es ist ein Prozess der Superlative, der seit Mai 2013 vor dem Oberlandesgericht in München gegen die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) geführt wird. Zehn Morde werden dem Trio um Beate Zschäpe zur Last gelegt. Andere hatten Glück, bei Bombenanschlägen mit dem Leben davon gekommen zu sein. Ihre physischen und seelischen Verletzungen aber bleiben. Ob sie am Ende Genugtuung verspüren, dürfte auch vom Strafmaß abhängen.

Die Opfer-Angehörigen hingegen werden so oder so mit einem Gefühl der Wut und Ohnmacht auf das oft quälende Geschehen im Sitzungssaal A 101 zurückblicken. Das liegt zuallererst an der Angeklagten Zschäpe, die nach Jahren des Schweigens im Dezember 2015 eine unglaubwürdige Version ihrer Rolle in der Mörderbande aufgetischt hat. So darf man Zschäpe und ihre toten Gesinnungsfreunde Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos ruhig nennen, auch wenn das Urteil für die Hauptangeklagte noch aussteht. Schließlich hat sich der NSU in einem widerwärtigen Bekennervideo selbst seiner Taten gerühmt.

Viele Indizien, aber wenig Beweise 

Zschäpe hat eingeräumt, das Video verschickt zu haben. Mit den Morden aber will sie nichts zu tun haben. Trotzdem spricht sehr viel dafür, dass die Anklage auf lebenslangen Freiheitsentzug mit anschließender Sicherheitsverwahrung plädieren wird. Sie wird sich dabei neben der Aussage Zschäpes auf das Gutachten des vom Gericht bestellten Psychiaters Henning Saß stützen. Ohne das eine wie das andere könnten Bundesanwalt Herbert Diemer und sein Kollegen durchaus in Argumentationsnot geraten. Denn im Wesentlichen handelt es sich mit Blick auf Zschäpe, aber auch sonst um einen Indizien-Prozess.

Deutsche Welle Marcel Fürstenau Kommentarbild ohne Mikrofon
Marcel Fürstenau beobachtet für die DW den NSU-Prozess Bild: DW

Unwiderlegbare Beweise fehlen in fast allen Bereichen. Für keinen einzigen Mord gibt es Augenzeugen. Jedenfalls hat keiner im NSU-Prozess ausgesagt. Ob der ehemalige Verfassungsschützer Andreas Temme mehr weiß, als er zugab, bleibt nach dem Ende der Beweisaufnahme am Dienstag wohl endgültig ungeklärt. Temme war zum Zeitpunkt der Ermordung Halit Yozgats 2006 in Kassel am Tatort, aber verstrickte sich in zahlreiche Widersprüche. Dass ihn betreffende Akten unter Verschluss und im NSU-Prozess außen vor blieben, gehört zu den fragwürdigsten Aspekten dieses Strafverfahrens.

Die Anklage hätte mehr ermitteln können

Für die Familien der Opfer und ihre Verteidiger muss es unerträglich sein und bleiben, derart im Ungewissen gelassen zu werden. Dieses Unbehagen teilen sie mit vielen Anderen, bis hin zu Abgeordneten quer durch die Parteien in diversen parlamentarischen Untersuchungsausschüssen. Der Makel, nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft zu haben, wird an der Bundesanwaltschaft haften bleiben. Da können die nun beginnenden Plädoyers noch so deutlich ausfallen.

Wobei es ihnen auch schwer fallen dürfte, für die vier Mitangeklagten die Forderung nach hohen Strafen zu begründen. Denn nach über vier Jahren NSU-Prozess mit hunderten Zeugen und Sachverständigen ist nicht einmal einwandfrei geklärt, auf welchem Weg die Tatwaffe in die Hände der Mörder gelangt ist. Viele Fragen sind offen geblieben. Diese Hypothek lastet auf dem gesamten Verfahren. Weil aber schon seit Monaten kein Erkenntnisgewinn mehr zu erwarten war und nun alle Beweisanträge gestellt sind, ist das Ende absehbar. Die Zeit dafür war gefühlt schon lange reif. Aber Gefühle haben in einem Strafverfahren nichts zu suchen - jedenfalls nicht bei den Plädoyers und den anschließenden Urteilen.

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