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Politik

Kippas in Berlin - Zeichen und Mahnung

26. April 2018

Groß, aber nicht beeindruckend groß war die Teilnehmerzahl bei den Demonstrationen gegen Antisemitismus. Aber Deutschland weiß, was es den Juden im Land sowie dem Staat Israel schuldig ist, meint Christoph Strack.

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Symbolbild Männer mit Kippa
Bild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

Das war ein wichtiges Zeichen. Tausende demonstrierten am Mittwochabend in Berlin und Köln gegen Antisemitismus und zeigten ihre Solidarität mit den Juden in Deutschland, hunderte waren es in Erfurt. Weitere Veranstaltungen sollen, beispielsweise in Frankfurt, folgen. In der Hauptstadt kamen unter dem Motto "Berlin trägt Kippa" rund 2.500 Menschen zusammen.

Zweieinhalbtausend - man kann eigentlich nicht behaupten, dass das eine beeindruckende Zahl ist angesichts von 3,7 Millionen Bewohnern der Stadt, in der auch manch themen-wirre Demo mehr Teilnehmer verzeichnet. Aber es waren auch immerhin zweieinhalbtausend. Einer der jüdischen Redner brachte es auf den Punkt und sprach von einem Rekord: Nie seit 1945, sagte er, nie kamen in Berlin so viele Menschen mit Kippa, der jüdischen Kopfbedeckung, zusammen.

Orientierung und Versprechen

Also tatsächlich ein wichtiges Zeichen. Zeichen stehen für etwas, sie sind Orientierung oder auch Versprechen. Wie heikel dieses Versprechen ist, zeigte sich fast zeitgleich in Berlin-Neukölln, wo zwei Demonstranten mit Kippa und israelischer Fahne standen und vor israelkritischen Aktivisten weichen mussten. Diese Szene erinnert daran, dass Kippa tragen für gläubige jüdische Männer ein Ernstfall ist. Sie ringen darum, ob sie die Kippa in der Öffentlichkeit tragen oder ob sie sie unter einer Schirmmütze verstecken. Aus Angst und Unsicherheit. So beeindruckend das Bild der vielen Kippas war - hier ging es nicht um diesen Ernstfall. Mancher Jude merkte das auch an und hätte sich gewünscht, dass auch an diesem Tag der Solidarität nur Juden Kippa tragen.

Deutsche Welle Strack Christoph Portrait
Christoph Strack ist Korrespondent im HauptstadtstudioBild: DW/B. Geilert

Auch im Bundestag trugen zwei Abgeordnete der Union am Donnerstag Kippa. Da widmete das Parlament dem 70. Jahrestag der Staatsgründung Israels eine Debatte. Und nicht nur die Kippa der beiden CDU-Politiker erinnerte an den Vorabend. Gelegentlich ging es in der Aussprache auch um den Antisemitismus in der AfD oder die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung, ohne dass sie zum bloßen Schlagabtausch geriet. Aber dem Parlament gelang eine ernsthafte Debatte. Eine Debatte, in der die Entstehung des Staates Israel aus dem von Deutschen begangenen Menschheitsverbrechen der Shoa und das deutsche Eintreten für die Existenz Israels genauso zur Sprache kam, wie die bleibende Forderung nach einer Zwei-Staaten-Lösung für Israelis und Palästinenser. Sowohl SPD-Chefin Andrea Nahles als auch der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland betonten sehr grundsätzlich, dass Deutschland das Existenzrecht Israels immer und ohne Einschränkung verteidigen müsse. "Im Ernstfall einer existenziellen Bedrohung", sagte Gauland, müssten deutsche Soldaten bereit sein, "an der Seite Israels zu kämpfen und zu sterben". Auch diese Debatte - ein Zeichen.

Deutschland weiß um seine Verantwortung

Eine beeindruckende, notwendige Demonstration nach den hässlichen Vorkommnissen der vergangenen Wochen. Eine ernste, nachdenkliche Debatte. Beides sind Belege dafür, dass Deutschland für das jüdische Leben im Lande und für die Existenz und Sicherheit des Staates Israel besondere Verantwortung trägt und darum weiß.

Auch wenn man nur hoffen kann (und doch beim Schreiben selbst zweifelt), dass es so schnell nicht zu weiteren Vorfällen kommt, die eine weitere Demonstration in Berlin gegen Antisemitismus anstoßen werden: Politiker und Kräfte der Zivilgesellschaft hätten die Zeichen dieser Tage verstanden, wenn sie beim nächsten Mal zur Demonstration oder Solidarität aufrufen würden und dazu nicht erst dem Ruf des Zentralrats der Juden folgen.

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