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Politik

Ein schwer verständlicher Kompromiss

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Jens Thurau
1. Februar 2018

Die Frage, ob eine Gruppe von Flüchtlingen ihre Familien nach Deutschland holen darf, ist fast zur Schicksalsfrage der Koalition geworden, die es noch gar nicht gibt. Die Politik kreist um sich selbst, meint Jens Thurau.

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Deutschland Flüchtlinge Familiennachzug
Bild: picture-alliance/dpa/S. Pförtner

Schon wieder eine Bewährungsprobe bestanden auf dem steinigen Weg zur neuen Großen Koalition: Im Bundestag haben es CDU, CSU und SPD am Mittwoch geschafft, gegen den heftigen Widerstand von Seiten der Opposition (aus verschiedenen Richtungen) zusammenzustehen. Und so kommt es von August an zu einer höchst komplizierten, und auch hoch umstrittenen Regelung für eine ganz bestimmte Gruppe von Menschen, die nach Deutschland geflohen sind: Bis zu 1000 Familienangehörige von Menschen mit subsidiärem Schutzstatus dürfen ab dann pro Monat nach Deutschland kommen. Und noch ein paar zusätzliche Härtefälle ebenso, das dürften allerdings weniger als 100 im Monat sein. Alles klar?

Ist jeder Flüchtling ein Verfolgter?

Man muss schon etwas ausholen: Politisch Verfolgte genießen in Deutschland Asylrecht, so steht es im Grundgesetz. Aber ist jeder verfolgt, in dessen Land Krieg und Elend herrschen? Es gibt auch viele Menschen, die fliehen, weil sie künftig Verfolgung befürchten oder weil ein Bürgerkrieg schon per se eine Bedrohung ist. In Syrien ist das der Fall, das kann keiner bestreiten.

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Jens Thurau ist Korrespondent im Hauptstadtstudio

Und so kamen im Herbst 2015 vor allem von dort tausende Menschen nach Deutschland, auch, weil sich herumgesprochen hatte, dass sie ihre Familien nachholen dürfen, wenn sie erst einmal hier sind. Tatsächlich hatte die Bundesregierung im August 2015 genau das beschlossen. Dann stiegen die Flüchtlingszahlen rasant, die Stimmung drehte sich, und bald schon wurde vereinbart, den Familiennachzug  wieder auf Eis zu legen. Bis jetzt.

Jetzt soll es ihn wieder geben,  aber die Verhandler von CSU, CDU und SPD haben eine Begrenzung auf 1000 Menschen pro Monat aus dem Hut gezaubert. Besser als nichts für die Betroffenen, aber ethisch und moralisch angreifbar. Viele der Familien sind jetzt schon einige Jahre voneinander getrennt, die meisten Experten sagen: Wenn Familien zusammen sind, gelingt Integration am besten. Und es ist schon bemerkenswert, wie wenig es die christlich orientierten Parteien CSU und CDU kümmert, dass sie von den Kirchen in dringlichem Ton zu möglichst großzügigen Regelungen aufgefordert werden.

Die Zahl 1000 ist eben ein typischer politischer Kompromiss: Hart sind vor allem CSU und SPD aneinander geraten: Die CSU wollte am liebsten gar keinen Nachzug, die SPD verbiss sich in das Thema, wohl auch, weil sie ihrer skeptischen Anhängerschaft beweisen muss, dass sie das kann: der CSU etwas abringen.

Keine durchdachte Politik

Insgesamt ist das Thema Familiennachzug ein gutes Beispiel für das Chaos, das die Regierung in der Flüchtlingspolitik angerichtet hat, und das jetzt Stück für Stück geordnet werden muss. Erst ein vollmundiges Versprechen, das die Menschen aus Syrien dankend angenommen haben, dann die Rücknahme, jetzt die begrenzte Aufnahme. Und das alles vor dem Hintergrund, dass sich die SPD so ins Zeug legt, weil ihre und 400.000 Mitglieder ganz am Ende ja noch der Großen Koalition zustimmen müssen, was sie nur schweren Herzens tun werden.

Geplante und durchdachte Politik sieht anders aus. Auch wenn die jetzt vereinbarte Regelung für einige der Betroffenen ein Hoffnungsschimmer ist.

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