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Die falschen Lehren aus Paris

Michael Münz25. Januar 2015

Wer zur Abwehr islamistischen Terrors den Zugriff auf verschlüsselte Kommunikation im Netz fordert, hat nichts gelernt aus den Anschlägen von Paris und den Enhüllungen von Edward Snowden, meint Michael Münz.

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Symbolbild Sicherheit im Internet (Foto: picture alliance)
Bild: picture-alliance/Andreas Franke

Es ist gerade zwei Wochen her, dass Staats- und Regierungschefs aus mehr als 40 Ländern in Paris zusammenstanden, um für Mitgefühl, Solidarität und Meinungsfreiheit ein Zeichen zu setzen. Für Bundeskanzlerin Angela Merkel war der Anschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo auch ein Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit, "ein Kernelement unserer freiheitlich-demokratischen Kultur". Es sah kurz danach aus, als hätten sich Europas Staats- und Regierungschefs von Jens Stoltenberg inspirieren lassen. "Mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Menschlichkeit" - so hatte Norwegens Ministerpräsident 2011 die Antwort auf die Attentate von Anders Behring Breivik formuliert. Inzwischen ist klar: Nach den schrecklichen Geschehnissen in Frankreich fällt die Antwort anders aus.

Großbritanniens Premierminister David Cameron war der erste, der sich mit einem Vorschlag zu Wort meldete. Mit Blick auf die verschlüsselten Nachrichten in E-Mails oder Messengern, stellte Cameron die rhetorische Frage: "Wollen wir in unserem Land wirklich eine Kommunikation zulassen, die wir im Extremfall nicht mitlesen können?" Was einige Beobachter als Säbelrasseln im Wahlkampf abtaten, ist inzwischen zu einem mehrstimmigen, paneuropäischen Chor geworden.

Staatliche Behörden wollen Mitlesen

Michael Münz (Foto: DW)
DW-Redakteur Michael MünzBild: DW/P. Henriksen

Erst vor wenigen Tagen forderte auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière, dass Sicherheitsbehörden in der Lage sein müssten, auch verschlüsselte Kommunikation mitzulesen. Und nun ist ein Schreiben von EU-Anti-Terror-Koordinator Gilles de Kerchove bekannt geworden, das in dieselbe Kerbe schlägt: De Kerchove fordert unter anderem, dass Behörden Verschlüsselungsmethoden im Netz, auf Handys, Computern und Tablets umgehen können sollen. Seine Idee: eine umfassende Zusammenarbeit zwischen Behörden in Europa und den Internetkonzernen. Es ist zu befürchten, dass Europas Justiz- und Innenminister diese Rhetorik bei ihrem Treffen kommende Woche in Riga fortführen werden.

Allein: Diese Diskussion führt in eine völlig falsche Richtung. Denn: Angriffe auf die Freiheit kann man nicht mit Einschnitten in die Freiheit beantworten. Zumal der Wunsch nach verschlüsselter Kommunikation bei großen Teilen der Bevölkerung einen handfesten und nachvollziehbaren Grund hat: Es waren die Geheimdienste westlicher Staaten, die über Jahre und ohne Anlass die gesamte Kommunikation im Netz gespeichert haben. Hier ist viel Vertrauen in die Sicherheitsbehörden verloren gegangen. Anstatt dies mit Fingerspitzengefühl und angemessenen Maßnahmen zurückzugewinnen, folgt jetzt die Botschaft: Wer verschlüsselt, hat etwas zu verbergen!

Integration fördern statt Überwachen

Immerhin: Diese Überlegungen rufen auch Kritik hervor. Aus Politik, Wirtschaft und natürlich auch von Netzaktivisten. Es bleibt zu hoffen, dass sich Europas Justiz- und Innenminister diese Kritik zu Herzen nehmen. Und sich vielleicht auch noch einmal an Jens Stoltenberg erinnern. Denn es kann nicht sein, dass demokratische Staaten alle Menschen unter Generalverdacht stellen und sie damit verunsichern. Stattdessen sollten die Minister in Riga erörtern, wie man unsere Gesellschaften von innen festigen kann. Warum radikalisieren sich Jugendliche? Wie kann man Integration fördern? Das sind nur einige der Fragen, die man zur Stärkung unserer freiheitlich-demokratischen Kultur diskutieren sollte. Und die langfristig vermutlich mehr bringen werden, als die Forderung nach mehr Überwachung.