Nun reicht es offenbar der Kanzlerin. Sie hat ihrem Innenminister die Zuständigkeit für die Flüchtlingspolitik de facto entzogen und ins Kanzleramt geholt. Ihr engster Mitarbeiter, Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) wird Flüchtlingskoordinator.
Mit ihrem berühmt gewordenen Satz "Wir schaffen das" hatte Angela Merkel die Flüchtlingspolitik zu ihrem Anliegen gemacht. Die Kanzlerin hat dafür viel Lob aus aller Welt erhalten. Aus der "eisernen Kanzlerin", die Griechenland in die Knie gezwungen hatte, wurde plötzlich in der Wahrnehmung vieler eine "Mutti mit Herz". Die gewaltigen Herausforderungen lösen sollten allerdings andere: Die Kommunen und Bundesländer und ihr Innenminister Thomas de Maizière.
So schaffen wir das nicht
Es fehlt an allen Enden. Es gibt viel zu wenig Unterkünfte, Kommunalbeamte, die die Anträge entgegennehmen, Sachbearbeiter, die sie bearbeiten. In den überfüllten Lagern kommt es immer häufiger zu Gewalt. Vor den Registrierungsstellen für Flüchtlinge spielen sich dramatische Szenen ab. Klar ist: So schaffen wir das jedenfalls nicht.
Vor allem Innenminister De Maizière (CDU) erweckte in der Krise den Eindruck, als hechle den Ereignissen hinterher. Zunächst tauschte er den Chef der zuständigen Behörde aus. De Maiziere ernannte Frank-Jürgen Weise zum neuen Chef des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Er habe "den Besten" verpflichtet, rühmte sich der Minister. Allerdings blieb Weise auch Chef der Bundesagentur für Arbeit. De Maizière musste sich seinen Top-Manager von der Arbeitsministerin ausleihen – in Teilzeit. Vielleicht ist der neue Behördenchef tatsächlich so ein Zampano, der eine gigantische Bundesagentur für Arbeit und die Großbaustelle BAMF gleichzeitig managen kann. Wahrscheinlicher ist aber eine andere Variante: De Maizière hatte so wenig Optionen, dass er sich die Bedingungen diktieren lassen konnte.
De Maizière wirkt wie ein überforderter Lehrer
Niemand hatte erwarten können, dass Deutschland diese Riesenaufgabe reibungslos bewältigen würde. Umso wichtiger ist es für die Regierung, zu zeigen, dass sie alles Mögliche tut, um der Krise Herr zu werden. De Maiziere erweckte diesen Eindruck nicht. Als sich die Meldungen über Gewalt in den überfüllten Unterkünften häuften, trat er vor die Kameras und beklagte sich über eine fehlende "Ankommenskultur" der Flüchtlinge. Der Versuch, sich an die Spitze des populistischen Ressentiments zu stellen, wirkte verzweifelt. De Maiziere wirkte wie ein überforderter Lehrer, der sich über den fehlenden Respekt seiner Schüler beklagt.
Angela Merkel ist mit ihrem "Wir schaffen das" ein Risiko eingegangen, das für sie untypisch ist. Mit ihren Worten hat sie die Bewältigung der Krise zu ihrer Bewährungsprobe gemacht. Nun hat sie offenbar verstanden, dass es nicht ausreicht, die Lösung ihrem Innenminister zu überlassen. Ihr präsidialer Stil gerät an seine Grenzen. Die Bundeskanzlerin hätte de Maiziere entlassen können, wie sie es in ähnlichen Situationen getan hat. Stattdessen hat sie sich entschieden, die Bewältigung der Krise zur Chefsache zu machen. Ihren Einsatz hat sie damit erhöht. Schafft sie es, die Verwaltungskrise in den Griff zu bekommen, wird ihr "Wir schaffen das" in die Geschichtsbücher eingehen. Bekommt sie die Krise nicht in den Griff, wird kein de Maizière mehr da sein, den sie im Regen stehen lassen kann.
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