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Politik

Die CSU droht ihren Charakter zu verlieren

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Kay-Alexander Scholz
5. Januar 2019

Die CSU hat auf ihrer traditionellen Neujahrsklausur für ein "Jahr der Erneuerung" geworben. Auch eine neue Harmonie mit der CDU soll dazu gehören. Alles nicht wirklich überzeugend, meint Kay-Alexander Scholz.

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Klausur CSU 2019 Kloster Seeon
Bild: picture-alliance/dpa/M. Balk

Das über viele Jahrzehnte Deutschland prägende Duopol von Sozial- und Christdemokraten wird immer schwächer. Die einstige Volkspartei SPD liegt bei nur noch 15 Prozent. Die CDU hält sich gerade noch über 30 Prozent. 40 Prozent - als Marke für eine Volkspartei - wird nirgends mehr gerissen, selbst in Bayern bei der CSU, der Schwesterpartei der CDU, nicht. Dabei hatte die CSU dort über Jahrzehnte absolute Mehrheiten sicher.

Das scheint Schnee von gestern zu sein. Aktuell tummeln sich in manchen Bundesländern drei oder vier Parteien im 20-Prozent-Bereich. Und das könnte ein Ausblick auf eine neue Normalität auch anderswo sein. Das ahnt auch die CSU in Bayern - und ist verunsichert.

CSU im unbequemer Sandwich-Position

Die Grünen bedrängen die CSU von links, die AfD und eine regionale Wählervereinigung - die "Freien Wähler" - von rechts. Der verbliebene Raum in der Mitte wird enger. Antworten auf diese strategische Misere suchen CSU-Vordenker wie Alexander Dobrindt in einem "Trial-and-Error-Prozess" - also versuchen und sich dabei eben auch irren. 

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DW-Korrespondent Kay-Alexander Scholz

Noch vor einem Jahr gingen von der traditionellen Neujahrsklausur der CSU-Landesgruppe in Seeon provokante Signale aus: härtere Asylpolitik, konservative Revolution, Konfrontation mit der CDU. So wollte man an die AfD verlorene Wähler zurückholen. Das misslang. Viele Wähler wanderten ab - vor allem die Jüngeren.

Ein Jahr später heißt es: Harmonie, Geschlossenheit mit der CDU und Konzentration auf Sacharbeit. Das scheine beim Wähler doch irgendwie besser anzukommen, heißt es. Der Wähler allerdings dürfte sich bei diesem Zickzackkurs fragen: Was kommt dann 2020 oder 2021?

Wie uneindeutig die Stimmungslage zwischen den beiden Schwesterparteien noch immer ist, zeigte sich beim Abschluss der Klausur. Um anscheinend den Eindruck von zu viel Harmonie zu korrigieren, war dann wieder von kooperativer Konkurrenz die Rede. Die inhaltlichen Unterschiede zwischen CSU und CDU seien eine Stärke. Welche das seien, wurde aber nicht beantwortet - nun gut.

Die Krise der Politik

Was zusätzlich an der Glaub- und Vertrauenswürdigkeit der CSU nagt, ist der laufende Generationenwechsel: Weg von kantigen CSU-Typen, die zu ihrer Meinung standen, auch wenn der Mainstream ein anderer war. Hin zu mittelalten Berufspolitikern, die zuvorderst Wahlergebnisse, Mehrheiten und Machbares im Blick haben. Politik verliert so Leidenschaft und Mut.

Man sieht diesen Wandel auch an vermeintlichen Kleinigkeiten. Waren vor Jahren noch viele traditionell bayerische Jacken auf der CSU-Klausur zu sehen, sieht man nun eher die üblichen dunkelblauen Anzüge aus der Geschäftswelt.

Und das, obwohl alpiner Trachtenlook bei jungen Leuten, die man doch erreichen will, gerade sehr gefragt ist. Selbst in Berlin-Mitte gibt es die entsprechenden Läden dafür. Neue Stars der volkstümlichen Musik füllen ganze Stadien - mit jungen Leuten. Der Zeitgeist - eine neue Sehnsucht nach Heimatlichem - wäre also eigentlich aufseiten der CSU. Doch die ist verunsichert und ruft erst ein mal ein "Jahr der Erneuerung" aus.

2019 soll der große Aufbruch kommen

Bald wird die CSU mit Markus Söder einen neuen starken Mann an der Spitze haben, der zugleich Ministerpräsident und Parteivorsitzender ist. Horst Seehofer ist Ende Januar Geschichte - er bleibt allerdings bis auf Weiteres Bundesinnenminister.

Söder kündigte an, er wolle die CSU jünger und weiblicher machen. Klingt erst mal gut, das hat allerdings auch Seehofer schon - und zwar erfolgreich - getan. Dieses eine Problem, ein Nachwuchsproblem, hat die CSU eigentlich nicht.

Punkt zwei: Neuer Teamgeist sei gefragt. Das sagt ausgerechnet Söder, der als egozentrischer Machtpolitiker gilt. In Seeon wurden Bilder der Harmonie inszeniert, auch mit der neuen CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer. Richtig glauben mag man das nicht. Kurzfristig dürfte das Bündnis aber halten. Schließlich sind im Mai Europawahlen. Ein CSU-Mann könnte EU-Kommissionspräsident werden. Das schweißt zusammen.

Punkt drei: Es sollen sich neue Köpfe in der Partei etablieren, die bestimmte Themen vertreten. Doch das braucht Freiraum, Ideen - und manchmal auch Streit. Zu viel Harmonie und Konsens, die Maxime der CSU für 2019, sind da eher kontraproduktiv.

Holprige Selbstfindung

Ein politischer Markenkern zahlt sich aus, wie andere Parteien zeigen - zum Beispiel die Grünen. Die haben so lange für den Atomausstieg gekämpft, bis er beschlossen wurde. Glaubwürdig sind sie deshalb auch heute noch, wenn sie gegen Braunkohle und für Klimaschutz kämpfen. Die AfD kann mit ihrem Fokus "Germany zuerst", wie immer man den auch finden mag, eine stabile Wählerbasis an sich binden.

Der traditionelle Charakter der alten CSU war immer: Laptop und Lederhose, Tradition und Moderne, Heimat und Aufbruch. Das ist eigentlich ein sehr modernes Thema. Vielleicht kommen die Parteistrategen darauf ja bald wieder zurück.

Bis Ende des Jahres will man den Prozess der Erneuerung der CSU beendet haben und krisenfest sein. Der gewünschte Weg zurück zur alten Normalität als Volkspartei dürfte allerdings schwer werden - wegen der Großwetterlage und der holprigen Selbstfindung.