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Die Bilanzen der Bank of England

Rostek Andreas Kommentarbild App
Andreas Rostek-Buetti
24. Juni 2016

Wie nennt man eine Entscheidung, die gegen alle wirtschaftliche Vernunft getroffen wird? Wahnhaft. Die Mehrheit der britischen Wähler ist einem solchen Wahn gefolgt - und der wird teuer, meint Andreas Rostek.

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Symbolbild - Bank of England
Bild: Getty Images

Dass ein Brexit allein schon finanziell ein echtes Erfolgsmodell zu werden verspricht, wurde gleich am Freitagmorgen, wenige Stunden nach der Entscheidung der Briten, an einer einzigen Zahl deutlich: die Summe von 250 Milliarden Pfund, umgerechnet gut 325 Milliarden Euro muss die Bank von England aufbringen, um mit den ersten Konsequenzen der Brexit-Entscheidung klar zu kommen.

Und wieviel soll sie in den kommenden zwei oder fünf oder zehn Jahren noch aufbringen, um sich einem Absturz der britischen Wirtschaft entgegen zu stemmen? Wirtschaftliche Gründe kann die Entscheidung der Briten nicht haben. Von wirtschaftlicher Vernunft will man erst gar nicht sprechen. "Die Entscheidung der britischen Wähler für den Brexit ist eine Niederlage der Vernunft", meint der nicht für emotionalen Überschwang bekannte Chef des deutschen Ifo-Instituts Clemens Fuest. Man kann ihm nicht widersprechen.

Ein Votum, viele Fragen

Und wie viel Kapital haben die britischen Banken in den ersten Stunden nach Bekanntgabe des Wählervotums verbrannt. Bei den britischen Banken Barclays, Royal Bank of Scotland und Lloyds waren es auf einen Schlag bis zu 20 Prozent ihres Werts. Es sind Großbanken, die das Rückgrat der britischen Wirtschaft bilden. Was wollen die Briten denn künftig auf dem Weltmarkt anbieten, der nicht mehr vorrangig ein europäischer Markt sein soll? Autos? Waffen? Tee?

Was also treibt einen britischen Wähler, eine britische Wählerin, sehenden Auges ins Abseits zu laufen? Die Sehnsucht nach vergangener Größe? Die Verweigerung vor der komplizierten Gegenwart? Die Angst vor politischen und ökonomischen Zumutungen, gegen die sich das Land schon im Konzert der anderen EU-Europäer kaum wehren konnte? Wie soll ihm das gelingen, wenn für seinen wichtigsten Markt bald Zugangssperren gelten sollten, die unser Nachbar Polen noch in lebendiger Erinnerung haben dürfte?

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Andreas Rostek-Buetti, DW-Wirtschaftsredaktion

Traurige Konsequenzen

Die Antwort auf all diese Frage lässt sich heute nicht geben - man wird sie in ein paar Jahren am britischen (und leider auch europäischen) Bruttosozialprodukt ablesen können. Und an der gestiegenen Armutsquote in England, Wales und Schottland. Und an der kleiner gewordenen Zahl britischer Unternehmen.

Und wahrscheinlich irgendwann wird zu den Folgen der zukunftsweisenden Entscheidung dieses 23. Juni 2016 auch folgendes gerechnet werden müssen: die wachsende Unfähigkeit der Europäer, ihre Missstimmungen und Konflikte untereinander produktiv zu lösen. Kein Wunder, wenn manchem da Kriegsschiffe im Ärmelkanal in den Sinn kommen, bei deren Anblick junge Europäer in ein paar Jahrzehnten nach den Schuldigen suchen werden. Geschichtsbewussten unter ihnen dürfte dann der Juni 2016 in den Sinn kommen. An die Bilanzen der Bank of England wird da kaum einer mehr denken.

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