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Der Wechsel an der Weichsel

Porträt eines Mannes, der eine Brille trägt
Bartosz Dudek
25. November 2015

Der parteipolitische Machtwechsel ist in der Demokratie eigentlich ein ganz normaler Vorgang. Aber so, wie er jetzt in Warschau vollzogen wird, gibt es allen Grund, beunruhigt zu sein, meint Bartosz Dudek.

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Polen Beata Szydlo Premierministerin
Polens neue Ministerpräsidentin Beata Szydlo im Pressesaal ihrer Kanzlei: nur noch nationale MonotonieBild: picture-alliance/epa/R. Pietruszka

Jeder Wechsel ist eine Chance. Darin liegt ja die erneuernde Kraft jeder Demokratie. Deswegen war auch der Wechsel an der Weichsel, der mit den Präsidentschaftswahlen im Frühling und den Parlamentswahlen am 26. Oktober vollzogen wurde, zunächst eine Chance. "Ein guter Wechsel" lautete die Losung der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Jaroslaw Kaczynski, die beide Wahlen für sich entscheiden konnte.

Wirklich ein guter Wechsel?

Nun, weniger als zwei Wochen nach der Konstituierung des neuen Parlaments und der Vereidigung der neuen Regierung, kommen erhebliche Zweifel auf: Zweifel, ob dieser Wechsel wirklich gut ist und ob er tatsächlich etwas mit Recht und Gerechtigkeit zu tun hat.

Denn in der Demokratie gibt es Mechanismen und Regeln, die die Macht der Mehrheit begrenzen und die Minderheit in der Opposition schützen sollen. Dazu gehört vor allem das Prinzip der Gewaltenteilung, das Regierung, Parlament und Justiz - unter dem wachsamen Auge der "vierten Gewalt", der Medien - unabhängig voneinander agieren lässt. Der legendäre Solidarnosc-Führer und Nobelpreisträger Lech Walesa hat es salopp so ausgedrückt: Demokratie ist ein "Kampf eines jeden gegen jeden - aber im eisernen Rahmen des Gesetzes". Das unterscheidet einen demokratischen Rechtstaat von einer Autokratie oder Diktatur. Die Grenzen können allerdings fließend sein.

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Bartosz Dudek leitet die Polnische Redaktion der DW

Klare Verletzung rechtsstaatlicher Standards

Es muss beunruhigen, wenn in einem EU-Land die Standards eines demokratischen Rechtstaats nicht eingehalten werden: So begnadigt der Staatspräsident im Eiltempo einen neu ernannten Minister, der erstinstanzlich wegen Amtsmissbrauchs verurteilt wurde. Die regierende Partei peitscht in einer Nachtsitzung ein Gesetz durch beide Parlamentskammern, das die Neubesetzung des Verfassungsgerichts ermöglicht. Der nächste Schritt wird ein neues Mediengesetz sein, das aus öffentlich-rechtlichen Medien Staatssender machen soll. Alles Vorgänge, die nicht nur die Polen aufhorchen lassen sollten.

Befände sich Europa nach den Pariser Anschlägen nicht im Schockzustand und wäre es nicht hoffnungslos mit der Migrationskrise überfordert, würde das, was jetzt in Warschau passiert, sicherlich für viel mehr Aufmerksamkeit sorgen. Genauso wie der symbolische Akt, der von der Premierministerin Beata Szydlo vollzogen wurde: Sie ließ nämlich die Europa-Fahnen aus dem Saal für die Pressekonferenzen in ihrem Amtssitz entfernen. Von nun an bilden nur noch die weiß-roten Nationalfahnen den Hintergrund für ihre Auftritte. Wird Polen folglich auch auf die Einhaltung der EU-Standards verzichten?

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Porträt eines Mannes, der eine Brille trägt
Bartosz Dudek Redakteur und Autor der DW Programs for Europe