Der angekündigte Tod
3. November 2014Die Amerikanerin Brittany Maynard, 29 Jahre alt und krebskrank, hat sich das Leben genommen. Ärzte im Bundesstaat Oregon haben ihr entsprechende Gifte - Medikamente wäre hier das falsche Wort - verschrieben. Da die Frau ihr angekündigtes Sterben in den sozialen Medien thematisiert hat, schlagen auch bei Twitter und Facebook die Wellen hoch. Die meisten zeigen Verständnis für ihre Entscheidung. Viele meinen, dass es niemanden - schon gar nicht den Staat - etwas angehe, wie jemand sterbe. Das sei jedermanns Privatangelegenheit. Brittany Maynard hat bewusst ihren Selbstmord öffentlichkeitswirksam inszeniert. Sie wollte andere, die ein ähnliches Schicksal erwartet, ermutigen, ihrem Beispiel zu folgen: Den Tod selbstbestimmt herbeizuführen.
Mit ihrem Partner ist sie extra nach Oregon gezogen, weil es dort seit einem Referendum vor 20 Jahren klare Richtlinien für Sterbehilfe gibt. Es müssen zwei Mediziner schriftlich bestätigen, dass die Krankheit binnen sechs Monaten zum Tod führen werde. Anders als in den Niederlanden dürfen sie selbst keine Giftspritzen verabreichen. Kurzum, die Gesetzgebung in Oregon halten viele in den USA für vorbildlich. Die Bundesstaaten Washington und Vermont haben sie bereits übernommen. Diskutiert wird sie in Großbritannien und inzwischen auch in Deutschland.
Eine umstrittene Entscheidung
Die liberale Gesetzgebung entspricht dem Zeitgeist. Sie spiegelt das wider, was auch für das Leben gilt: Der eigene Wille steht im Mittelpunkt. Es ist eine Frage des Willens, welche Karriere er oder sie einschlägt, wohin man zieht, ob man eine Familie gründet oder nicht. Zu Recht ist der Aufschrei groß, wenn der Staat die Selbstbestimmung einzugrenzen versucht.
Schwierig wird es in dem Augenblick, wo sich etwas der Kontrolle entzieht. Etwa eine schwere Krankheit oder der bevorstehende Tod. Wenn sie schon das Sterben nicht verhindern konnte, so wollte Brittany Maynard doch wenigstens das Wann und das Wie bestimmen. Sie wollte selbst entscheiden, wann sie ihr Leben für lebenswert hält und wann nicht.
Ihre Entscheidung erfährt natürlich auch Widerspruch in den USA - etwa bei eher traditionell eingestellten Christen. Sie haben zum Leben und zum Tod ein etwas anderes Verhältnis. Für sie ist das Leben etwas, was sich der Mensch nicht selbst gegeben hat, sondern ein Geschenk Gottes. Ein Geschenk, das durch den Tod nicht wieder weggenommen wird. Christen leben und sterben vor dem Angesicht Gottes. "Sein Wille geschehe", wie es im Vaterunser heißt. Deshalb lehnen viele auch in den USA die Sterbehilfe, so wie sie in Oregon praktiziert wird, ab.
Das Thema Sterbehilfe fordert alle
Untersuchungen belegen, dass es den Sterbewilligen tatsächlich weniger um die Linderung von Schmerzen geht, als um den Wunsch, die Kontrolle über das Sterben zu behalten. Viele Kranke wollen ihren Angehörigen nicht zur Last fallen. Doch berauben sie damit nicht sich selbst und die Familienmitglieder einer existentiellen Erfahrung, einer besonderen Nähe zueinander, die zum Leben in seiner Fülle dazugehört? Wann ist Leiden sinnlos, wann nicht?
Gläubige und Nicht-Gläubige eint auch in den USA der Wunsch nach einem würdigen Sterben. Ärzte spielen hier, wenn sie schmerzlindernde Mittel verschreiben, eine wichtige Rolle. Doch sie dürfen beim Thema Sterbehilfe nicht allein gelassen werden. Sie sind überfordert, wenn sie allein die Verantwortung für Leben oder Tod tragen sollen. Schließlich haben sie einen Eid geschworen: Leben zu erhalten, nicht es zu beenden.
Beim Thema Sterbehilfe tragen alle Verantwortung: Ärzte, Politiker, Priester und Familienangehörige. Doch am Ende werden auch sie gemeinsam keine wirkliche Kontrolle über die letzten Dinge erhalten. Es gibt sie nicht.