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Das Ende der Mobilität?

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Henrik Böhme
28. Februar 2018

Das Fahrverbots-Urteil der Leipziger Richter hat mehr Staub aufgewirbelt als die tägliche Verkehrswelle in deutschen Städten. Für Henrik Böhme stellt sich die Frage: Wieviel Individualverkehr wollen wir uns noch leisten?

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Deutschland Geschichte Kapitel 3 1969 – 1979 Sonntagsfahrverbot 1973
Bild: picture-alliance/dpa

Deutschland am Tag nach dem Urteilspruch von Leipzig: In klirrender Kälte schieben sich zur morgendlichen Rushhour Autolawinen von A nach B. Der Verkehrsfunk meldet die üblichen Staus. S-Bahnen und andere Nahverkehrszüge, so sie fahren, sind proppenvoll. Busse und Straßenbahnen ebenso. Kein Fahrverbot, nirgends. Den Eindruck musste man haben nach dem medialen Sturm, der am Tag zuvor über das Land gezogen war. Diesel-Bann! Das Ende des Diesels! Millionen Diesel-Besitzer enteignet!

Selten hat das Land mit so großer Spannung auf den Spruch eines höchsten deutschen Gerichts geblickt, selten hat ein Urteil die Nation so beschäftigt. Denn Deutschland, das ist eine Autofahrer-Nation. Und daran, soviel schon mal vorweg, wird sich auf absehbare Zeit auch nichts ändern. Aber klar ist auch: Zur Tagesordnung übergehen können Politik und Autoindustrie, seit Jahrzehnten leidenschaftlich miteinander verbunden (Deutschland ist das einzige Land der Welt mit einem Autokanzler/einer Autokanzlerin) eben nicht.

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Henrik Böhme, DW-Wirtschaftsredaktion

Was kommt als nächstes?

Denn diese unselige Verbindung war es, die beide Seiten jetzt in die Bredouille gebracht hat. Es hat zu der wirklich skurrilen Situation geführt, dass ein Verein namens Deutsche Umwelthilfe (DUH) mit nicht einmal 300 Mitgliedern, aber fast 100 hauptamtlichen Mitarbeitern die Politik vor sich hertreibt. Klar, dass DUH-Chef Jürgen Resch das Urteil von Leipzig als "ganz großen Tag für saubere Luft in Deutschland" feiert. Man darf sehr gespannt sein, was Herr Resch und die Seinen als nächstes ins Visier nehmen. Die Grill-Leidenschaft der Deutschen? Das Silvester-Feuerwerk? Das Rauchen? All dies wird ab 2020 mehr Feinstaub erzeugen als der gesamte Fahrzeugverkehr (sagt das Umweltbundesamt).

Oder nehmen sie sich nach dem Diesel den Verbrennungsmotor ganz grundsätzlich vor? Wenn Deutschlands Autofahrer sich vom Diesel abwenden (und das tun sie bereits, wie die Zulassungszahlen zeigen und auch die Verkaufsräume der Gebrauchtwagenhändler), dann greifen sie mehrheitlich eben nicht zum teuren Hybrid- oder Elektro-Auto, sondern zum günstigeren Benziner. Das aber wird den Ausstoß von Kohlendioxid erhöhen, was wiederum dem Klima schadet. Und so wird man ziemlich schnell zu der Frage gelangen: Wieviel Individualverkehr wollen wir uns noch leisten?

Der Traum vom kostenlosen Nahverkehr

Die hübsche Idee der Bundesregierung vom "kostenlosen Nahverkehr" hat nicht einmal zwei Wochen gehalten. Gedacht war sie, um Brüssel zu beruhigen und einer möglichen Klage der EU-Kommission aus dem Weg zu gehen. Doch gleich das allererste Treffen mit den Bürgermeistern der fünf auserkorenen Modellstädte (am Tag vor dem Leipziger Urteil) brachte die erwartbare Antwort: Geht nicht. Zu teuer, die Infrastruktur ist gar nicht vorhanden, viel zu wenig Busse und Bahnen samt notwendiger Fahrer. Außerdem ein hochkompliziertes Geflecht aus sogenannten Verkehrsverbünden und der für Deutschland schon typische Flickenteppich von kaum durchschaubaren Tarifsystemen. Wer als Tourist in Köln oder Hamburg schon mal vor einem Ticketautomaten stand, wird wissen, was gemeint ist.

All das hilft nun aber nicht, wo tatsächlich Fahrverbote drohen. Es könnte so kommen, dass die Autoindustrie gezwungen wird, Diesel-Autos nachzurüsten. Das würde Milliarden kosten, die man lieber in Technologie von morgen als in solche von gestern stecken wollte. Ob das am Ende die Luft tatsächlich besser machen wird, bleibt abzuwarten. Allerdings sind die Autokonzerne nach derzeitiger Rechtslage gar nicht verpflichtet, die Kosten zu übernehmen, denn die Dieselautos der Euro 5-Norm entsprachen den geltenden Zulassungsbestimmungen. Die kann man nicht nachträglich ändern.

Freie Entscheidung muss bleiben

Vielleicht ist das am Ende ja gar nicht nötig. Denn man kann vielleicht auf dem Prüfstand tricksen, aber die Gesetze der Physik lassen sich nicht einfach übergehen. Und so wird man zur Kenntnis nehmen müssen, dass bei umgerüsteten Fahrzeugen der CO2-Ausstoß steigt. Das kann am Ende aber ja keiner wollen. Warum also nicht einfach mal das Steuerprivileg auf Diesel kippen? Man könnte Autofahren auch insgesamt teurer machen, um weniger Verkehr in den Städten zu haben. Dann aber braucht es bessere Angebote im öffentlichen Nahverkehr. Das ist möglich und machbar, dauert aber eben auch - und kostet (siehe oben). Und bei alledem sollte man eines nicht vergessen: In den vergangenen bald 30 Jahren ist der Ausstoß von Stickoxid durch den Verkehr um knapp 70 Prozent gesunken.

Fahrverbote dürfen also nur die "ultima ratio" sein. Und bitte komme niemand auf die Idee, irgendwem vorzuschreiben, wie er sich fortzubewegen habe. Die Freiheit, sich entweder im Stau hintenan zu stellen oder sich in proppenvolle Pendler-Züge zu quetschen: Das sollte jedem selbst überlassen bleiben.           

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Henrik Böhme Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Auto- und Finanzbranche@Henrik58