Kommentar: CIA-Geheimflüge sind auch deutsches Problem
9. Dezember 2005Wenn man nur lange genug herumstochert, dann wird man schon etwas finden. So scheint es auch in der CIA-Affäre geschehen zu sein: Zunächst war die Rede von "illegalen" oder "geheimen" CIA-Flügen über Europa und speziell Deutschland, dann von "geheimen CIA-Gefängnissen" in Osteuropa und dem Verdacht der Folterungen, übrig blieb schließlich der einzige Fall, in dem wenigstens ein aussagebereites Opfer zur Verfügung steht: Der Deutsch-Libanese Khaled el Masri, der von den Amerikanern entführt und fünf Monate lang in Afghanistan festgehalten wurde, weil man ihn mit einem gesuchten "El Qaida" Mann verwechselt hatte.
Die Empörung offizieller deutscher Stellen über den Fall hielt sich in Grenzen. Verwunderlich eigentlich, denn selbst die Münchner Staatsanwaltschaft untersucht den Fall seit anderthalb Jahren wegen Freiheitsberaubung. Um nicht gleich den schwerer wiegenden Vorwurf der Entführung zu verwenden. Die offizielle Zurückhaltung wurde dann freilich rasch transparenter, denn es wird immer deutlicher, dass offizielle Stellen von dem Fall gewusst, aber dazu geschwiegen haben.
Nicht nur der bisherige Innenminister Schily, der noch vor Masris Freilassung von den Amerikanern informiert - aber um Vertraulichkeit gebeten – wurde. Auch das Auswärtige Amt und das Kanzleramt sind nach Masris Freilassung durch dessen Rechtsanwalt informiert worden, haben aber nicht eingegriffen. Pikanter Nebenaspekt: Auch der heutige Außenminister Steinmeier, der damals Chef des Kanzleramts war, muss davon erfahren haben.
Keine Geheimgremien für Geheim-Flüge
Ein Fressen für die Opposition, die nun nach öffentlicher Untersuchung schreit. Eine Peinlichkeit für die neue Regierung, an der Mitglieder der alten Regierung ja beteiligt sind. Den Fall in das Parlamentarische Kontrollgremium abzuschieben, wird nicht weiter helfen. Dieses Gremium tagt unter Ausschluss der Öffentlichkeit und den Fall Masri nur dort zu behandeln, sähe aus, als wolle man ihn "unter den Teppich kehren".
Das wäre schon in diesem einen individuellen Fall nicht richtig, erst recht aber nicht, wenn man bedenkt, dass hier ein grundsätzliches Problem der Zusammenarbeit mit der CIA und anderen Geheimdiensten vorliegt, die Frage der Bündnistreue und natürlich die Frage, inwieweit der Staat seine Bürger vor der Willkür dieser Dienste schützen kann und schützen will.
Die vorläufige Antwort auf diese Frage fällt äußerst unbefriedigend aus: Es liegen Anzeichen dafür vor, dass deutsche Geheimdienste erst noch dazu beigetragen haben, dass Khaled el Masri auf die Fahndungsliste der Amerikaner geriet und dass sie ihn deswegen in Mazedonien entführten. So waren die Verhörer el Masris in Afghanistan über Details seines Lebensumfeldes in Neu-Ulm informiert. Und das hatte nun gar nichts mit dem anderen Khaled el Masri zu tun, mit dem man ihn angeblich verwechselt hatte. Ganz abgesehen davon, dass gesuchte "Al Qaida" Leute wohl kaum unter ihrem normalen Namen durch die Welt reisen würden.
Informationen statt Menschen "zuliefern"
Dass Geheimdienste verschiedener Länder bei Aktionen wie dem Kampf gegen den Terrorismus miteinander kooperieren, ist nicht nur verständlich, sondern natürlich auch notwendig. Es darf aber nicht dazu führen, dass eigene Staatsangehörige fremden Geheimdiensten "zugeliefert" werden, wie hier möglicherweise geschehen. Solch ein Vorgehen stünde im klaren Widerspruch zu dem verfassungsmäßig zugesicherten Schutz, den jeder Bürger von seinen Behörden fordern kann.
Wer letztlich wofür verantwortlich ist, muss noch im einzelnen herausgefunden werden. Es wäre aber langsam an der Zeit, unbelegte und unbelegbare Vorwürfe gegen Washington etwas herunterzufahren und stattdessen erst einmal den Sumpf im eigenen Garten trockenzulegen. Nur einfach in ihm herumzustochern ist keine angemessene Art, sich mit dem Problem auseinanderzusetzen …