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Kolumne: Musik läßt Trump nicht vergessen

Gero Schließ
26. Februar 2017

Das USA-Festival im Berliner Konzerthaus bringt mit Jazz und Filmmusik eigentlich nichts Spektakuläres. Aber in diesen politisch rauhen Zeiten hört Kolumnist Gero Schließ "Musik made in USA" mit anderen Ohren.

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Deutschland US Musikfestival im Konzerthaus Berlin Eröffnungskonzert Kim Criswell
Das Konzerthausorchester unter der Leitung von Wayne Marshall begleitet Sopranistin Kim CriswellBild: Konzerthaus Berlin

Die Kulturattachée hält sich eng an ihr Redemanuskript. Sie liest Wort für Wort von ihrem Zettel ab. Und dann sagt sie etwas ganz Originelles: Kulturaustausch ist wichtig. Kultur kann Brücken bauen und Verständigung bringen. Wow!

So weit, so gut, so ausgelutscht. Das alles habe ich bis zum Überdruss gehört. Es liegt mir so ungefähr seit dem Kalten Krieg in den Ohren, als Künstler aus Russland mit viel politischem Tamtam in Deutschland gastierten.

Diese Kulturattachée ist aber nicht aus Russland. Sie ist Amerikanerin.

Mit Musik Brücken nach Amerika bauen

Deutschland US Musikfestival im Konzerthaus Berlin Michelle Logsdon Kulturattachee
Michelle Logsdon von der US-Botschaft bei der Eröffnung des "Festival USA" im Berliner KonzerthausBild: Konzerthaus Berlin

Michelle Logsdon leitet die Kulturabteilung der US-Botschaft. Sie spricht gerade bei der Eröffnung des USA-Festivals im Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt. Sie spricht über amerikanische Musik in Deutschland. Man spürt förmlich, wie sich die Diplomatin am Kulturaustausch wie an einem rettenden Strohhalm festklammert und das beste machen will aus einer bedrückenden Situation, die ihr der neue Chef im Weißen Haus eingebrockt hat.

Aber warum beschwört sie den Austausch mit etwas, das sowieso allgegenwärtig ist, nämlich mit der amerikanischen Musik und der amerikanische Popkultur? Eine merkwürdige Idee. Haben die Amerikaner das jetzt nötig? Mit Musik Brücken bauen? Aber ich fühle mit ihr. Vielleicht auch aus Solidarität, schließlich habe ich mehrere Jahre in den USA gelebt.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Seit Trump uns im Tagestakt mit Tweets traktiert, sehe ich alles, was mit Amerika zu tun hat, mit anderen - politischen -  Augen. Und ich höre es mit anderen Ohren.

Die musikalische "alternative Realität"

08.2016 Kolumne Gero Schließ
DW-Kolumnist Gero Schließ

Beim Eröffnungskonzert des USA-Festivals musizieren das Konzerthausorchester und die Sopranistin Kim Criswell unter der Leitung von Wayne Marshall Stücke von George Gershwin und Leonard Bernstein. Gershwin und Bernstein als Kulturbotschafter im Dienste der deutsch-amerikanischen Völkerverständigung? Irgendetwas sträubt sich da in mir. Das hieße ja, diese mitreißenden Musikergenies in diplomatische Zwangsjacken einzuschnüren.

Ok, wenn schon Botschafter, dann Botschafter des anderen Amerikas. Manche Amerikaner nennen das auch ironisch die "alternative Realität". In diesem Fall ist sie wohltuend. Denn fast hätte ich vergessen, wie Amerika auch ist: frei, wild, ausgelassen, pure Lebensfreude. Und so wie mir geht es vielen im Konzerthaus, die dem Orchester, Wayne Marshall und Kim Criswell unentwegt zujubeln.

USA: Unterschiedlich, aber nicht united

Deutschland Kolumne Berlin 24/7 USA Musikfestival
In den Farben Amerikas: Das "Festival USA" im Berliner KonzerthausBild: Konzerthaus Berlin

"Welcome to the United Styles of Music", textete die findige Marketingtruppe des Konzerthauses das Festival-Motto. Ja, Amerika kennt viele Stile, ist ein Schmelztiegel aus Rassen, Religionen und  Menschen aus verschiedensten Kulturen.

Unterschiedlich - ja. Aber zurzeit alles andere als "United". Selbst diesen Slogan lese ich jetzt politisch, obwohl er, lange vor der Präsidentenwahl ersonnen, vor allem musikalisch gemeint ist. Die United Styles reichen während des zehntägigen Festivals vom Jazz über Musical und Minimal-Music bis zum Rock-Provokateur Frank Zappa.    

"Wir New Yorker waren dagegen"

Ein Höhepunkt: Das Bang on a Can´s Asphalt Orchestra, acht exzellente Jazzmusiker aus New York, die Frank Zappa, Charles Mingus oder Meredith Monk in freche Arrangements packen. Auf der kleinen Bühne des Kammermusiksaals geben sie sich rebellisch-wild. Später dann, backstage, erkenne ich sie kaum wieder: Erschöpft und niedergeschlagen kauern sie auf ihren Stühlen: Mit dem Grund dafür halten sie nicht lange hinter dem Berg: "Wir sind aus New York", sagt mir Saxophonist Ken Thomson fast entschuldigend. "Wir waren alle dagegen", es hätten nur wenige New Yorker ihre Stimmen für Trump gegeben. Für Ken und die anderen Musiker ist das Reisen ins Ausland zu einer qualvollen Angelegenheit geworden. Sie meinen, dauernd etwas erklären zu müssen. Gleichzeitig ist es für sie aber auch eine Auszeit. Urlaub von den neuen, irren Lebensumständen.    

Deutschland Kolumne Berlin 24/7 USA Musikfestival
Wild und rebellisch: Das Bang on a Can's Asphalt Orchestra aus New YorkBild: Konzerthaus Berlin

Aber nicht alle Musiker wirken so geknickt. Am Tag zuvor, auf der großen Bühne des Konzerthauses, zeigte die standhafte Kim Criswell jenen unverdrossenen Optimismus, wie ich ihn bei den Amerikanern so liebe. Sie lässt sich ihre gute Laune einfach nicht nehmen. Und schmettert zum großen Finale mit strahlender Stimme Gershwins "The Man I Love". Jeder im Saal weiß, wen sie nicht meint.