Eine Wahl und die Folgen
28. Januar 2008Der Ausgang der Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen ist Kommentarthema bei zahlreichen europäischen Zeitungen. Dabei stehen die Auswirkungen auf die Bundespolitik ebenso im Mittelpunkt wie die Veränderungen im deutschen Parteienspektrum durch den Einzug der Linkspartei in beide Parlamente.
Der Tages-Anzeiger aus der Schweiz schreibt: "Die Wahl in Hessen muss gleichsam als Plebiszit für ganz Deutschland gewertet werden. (...) Mit konservativen und wirtschaftsliberalen Rezepten lässt sich derzeit in Deutschland keine Wahl gewinnen. (...) Das Beispiel Hessen lehrt die SPD, dass die Rückkehr aus dem Tief mit klassisch linken Parolen möglich ist."
Die österreichische Tageszeitung Der Standard sieht das ganz ähnlich: "Mit dem krachenden Absturz von Roland Koch werden auch die Weichen für Merkels Bundestagswahlkampf gestellt: Der markige Polarisierungskurs des strammen Konservativen wurde von den Wählern abgestraft."
Auch der Kommentator der österreichische Zeitung Die Presse sieht die Kanzlerin in Schwierigkeiten: "SPD-Chef Kurt Beck wird sich bestätigt sehen in seinem symbolischen Linksruck und sich noch mehr vom Koalitionspartner absetzen. (...) Auf Merkel kommen harte Zeiten zu."
Aftonbladet aus Schweden fragt mit Blick auf die Erfolge der Linkspartei sowohl in Hessen als auch in Niedersachsen: "Wie lange will sich die Sozialdemokratie noch in einer Koalition mit den Christdemokraten quälen, wenn es doch eine Mehrheit für eine progressive Politik gibt?"
Das französische Blatt Le Figaro bemerkt: "Die Linkspartei etabliert sich als fünfte politische Kraft im Land. (...) Sie sind sich ihrer Rolle bewusst, dass sie Königsmacher werden können."
Die in der Schweiz erscheinende Neue Zürcher Zeitung sieht den Wahlerfolg der Linkspartei kritisch: "Somit hat sich nun im Westen Deutschlands das unselige Fünfparteien-Muster akzentuiert, welches nichts anderes als eine Destabilisierung des parlamentarischen Systems bedeutet."
Die Basler Zeitung macht den hessischen Ministerpräsidenten Koch persönlich für die Verluste seiner Partei verantwortlich: "Dass kriminelle Jugendliche ein Problem sind, das mit entsprechenden Mitteln angegangen werden muss, streitet niemand ab. Doch Koch plusterte einen tragischen Einzelfall so auf, dass vielen schlecht werden musste."
In dem spanischen Blatt El Mundo heißt es dazu: "Der konservative Populismus mit einem gewissen ausländerfeindlichen Anklang ist im Unterschied zu 2003 diesmal bei der Landtagswahl in Hessen kläglich gescheitert."
Und die ebenfalls in Spanien herausgegebene Zeitung El País meint: "Der Versuch, die schweigende Mehrheit mit ausländerfeindlichen Themen und einem obsoleten Antikommunismus zu mobilisieren, hat für Koch einen Bumerangeffekt gehabt."
Die Wahlschlappe Kochs kommt jedoch manchem in der CDU durchaus gelegen, glaubt die italienische Zeitung La Repubblica: "Für Angela Merkel (...) liegt in der Niederlage ihrer Partei in Wiesbaden paradoxerweise großer Trost und Bestätigung. Trost deshalb, weil mit Roland Koch (...) ihr führender interner Rivale eine Ohrfeige hat einstecken müssen." (mm)