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Koalitionsvertrag: Die Pläne für Deutschland

25. November 2021

Die künftige Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP will Deutschlands größte Probleme angehen. An vorderster Stelle steht die Pandemie-Bekämpfung.

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Deutschland | Vorstellung des Koalitionsvertrags
Die Spitzen der SPD, Grünen und FDP bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages am 24.11.Bild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Corona: Pandemie-Bekämpfung als Chefsache

Die "Ampelparteien" wollen mit ihrem Koalitionsvertrag ein Signal für Erneuerung setzen. In ihrem 178-seitigen Abkommen mit dem Titel "Mehr Fortschritt wagen" beschreiben SPD, Grüne und FDP ihren politischen Fahrplan für die nächsten vier Jahre. Aktuell drängt am meisten der Kampf gegen das Corona-Virus. Die Infektionszahlen steigen in schwindelnde Höhen, dabei hat der Winter noch nicht mal richtig begonnen. In dieser Woche überschritt Deutschland die Zahl von einhunderttausend Corona-Toten.

Bei der Vorstellung des Koalitionspapiers kündigte der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Einrichtung eines ständigen Corona-Krisenstabs; der soll an die künftige Bundesregierung berichten - täglich. Das Gremium soll sich aus Vertretern des Bundes und der Bundesländer sowie Experten aus Virologie, Epidemiologie, Soziologie und Psychologie zusammensetzen.

"In Einrichtungen, in denen besonders vulnerable Gruppen betreut werden, sollten wir die Impfung verpflichtend machen", kündigte Scholz eine weitere Initiative an. Eine Ausweitung hin zu einer allgemeinen Impfpflicht müsse je nach Lage geprüft werden. Vorgesehen ist ein größerer Einsatz mobiler Impfteams. Corona-Impfungen sollen auch in Apotheken möglich werden.

Gesundheit: Bonus für Pflegende

Für die in der Pandemie besonders geforderten Pflegekräfte in Krankenhäusern und Heimen soll es Bonuszahlungen geben. Dafür würde "erst einmal" eine Milliarde Euro bereitgestellt, sagte Scholz. Insgesamt sollen Pflegeberufe attraktiver werden. Durch eine Anhebung der Löhne sowie den Einsatz von mehr Personal, um die Pflegekräfte zu entlasten.

Coronavirus - Intensivstation in Klinik
Die künftige Bundesregierung will eine Milliarde Euro als Bonus an Pflegekräfte zahlenBild: picture alliance/dpa

Klimaschutz: Jahrhundertaufgabe vieler Ministerien

Viel Raum nimmt erwartungsgemäß der Klimaschutz ein: Die Jahrhundertherausforderung zieht sich durch viele Ressorts und Aufgabenbereiche. Als "Querschnittsaufgabe" sollen künftige Gesetze auf ihre Klimaschutz-Wirksamkeit überprüft werden. Der Ausbau erneuerbarer Energien soll durch Solaranlagen auf neuen gewerblichen Gebäuden und Wohngebäuden sowie Windkraftanlagen vor allem auf See vorangetrieben werden. Die ehrgeizigen Ziele: bis 2030 soll der Strombedarf zu 80 Prozent von regenerativen Quellen abgedeckt werden; Heizwärme soll zu 50 Prozent klimaneutral sein. Ebenfalls bis 2030 sollen der Kohleausstieg möglichst abgeschlossen sein und sich die Zeiten der Verbrennungsmotoren endgültig dem Ende neigen.

Migration: Erleichterte Einbürgerung

In das Staatsangehörigkeitsrecht kommt Bewegung. Um den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit zu vereinfachen, sollen Einbürgerungen bereits nach fünf Jahren möglich sein, bei besonderen Integrationsleistungen nach drei Jahren. In Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern werden mit ihrer Geburt Deutsche, wenn ein Elternteil seit fünf Jahren in Deutschland lebt. Migration - so heißt es im Vertrag - solle "vorausschauend und realistisch" gestaltet, "irreguläre Migration" reduziert werden. Für schnellere Asylverfahren will die neue Koalition das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entlasten. Die Visavergabe soll digitalisiert und ebenfalls beschleunigt werden. Arbeitsverbote "für bereits in Deutschland Lebende" sollen abgeschafft werden.

Arbeit: Zuwanderung gegen Fachkräftemangel

Der gesetzliche Mindestlohn soll in einer einmaligen Anpassung auf zwölf Euro pro Stunde erhöht werden. Er liegt derzeit bei 9,60 Euro pro Stunde. Dem Fachkräftemangel wollen die drei Parteien eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen und Älteren, mehr Qualifizierung sowie mehr Zuwanderung entgegensetzen.

Digitalisierung: Abbau bremsender Bürokratie

Die Ampel will Deutschland fit für die digitale Zukunft machen und hinderliche Bürokratie abbauen. Anfangen will sie damit bei der Verwaltung. Dafür setzen SPD, Grüne und FDP auf Digitalisierung und Transparenz in den Ämtern. Das Ziel: Frühere Beteiligung der Öffentlichkeit und beschleunigte Bewilligungsverfahren, vor allem für Infrastrukturprojekte.

Soziales: "Bürgergeld" statt Hartz IV

Die Grundsicherung Hartz IV benennen die Koalitionäre in ein "Bürgergeld" für Arbeitslose um. Das kann in den ersten beiden Jahren ohne Anrechnung des Vermögens ausgezahlt werden. Im Jahr 2022 soll es um drei Euro auf dann 449 Euro im Monat für einen alleinstehenden Erwachsenen erhöht werden.

Alterssicherung: Kaum Änderungen bei Rente

Das Renteneintrittsalters wird nach dem Willen der drei Parteien bei 67 Jahren bleiben. Das Rentenniveau soll nicht unter 48 Prozent des aktuellen Durchschnittseinkommens sinken. Für die kommenden vier Jahre wird der Beitrag für die Rentenversicherung auf 20 Prozent festgefroren.

Symbolbild Drohne Bundeswehr
Eine Drohne der Bundeswehr des Typs "Heron": Bald könnte sie bewaffnete Einsätze fliegen Bild: Arne Immanuel Bänsch/dpa/picture alliance

Verteidigung: Bewaffnete Drohnen für Bundeswehr

Die Bundeswehr soll nach den Plänen der Ampel-Koalition ihre Drohnen künftig bewaffnen dürfen. Das soll unter "verbindlichen und transparenten Auflagen und unter Berücksichtigung von ethischen und sicherheitspolitischen Aspekten" ermöglicht werden. "Bewaffnete Drohnen können zum Schutz der Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz beitragen", hält der Koalitionsvertrag fest. 

Finanzen: Pause für Schuldenbremse

Die Schuldenbremse soll erst im Jahr 2023 wieder greifen. Vorher gilt es weiterhin pandemiebedingte Hilfen zu ermöglichen. Dafür muss der Staat tief in seine Tasche greifen. Ebenfalls müssen zusätzliche Milliarden-Summen im Zusammenhang mit dem Klimaschutz und der Energiewende bereitgestellt werden.

Deutschland Chaos und Menschenmassen am Hauptbahnhof Hamburg
Menschenmassen am Hauptbahnhof Hamburg: Der Ausbau des Nahverkehrs ist eines der Infrastrukturziele der AmpelkoalitionBild: Eibner/imago images

Infrastruktur: Ausbau Bahn und E-Mobilität

Das von den Grünen geforderte Tempolimit ist erstmal vom Tisch. Stattdessen sollen bis 2030 mindestens 15 Millionen elektrisch angetriebene PKW über Deutschlands Straßen fahren - bei entsprechendem Ausbau der Lade-Infrastruktur. Ein weiterer Fokus liegt auf der Bahn: Sie soll eine noch wichtigere Rolle spielen. So soll mehr Güterverkehr von der Straße auf die Schiene gebracht werden. Das bisherige Güteraufkommen bei der Bahn soll um ein Viertel stiegen.

Der Anspruch der Koalition: Deutschland soll als Exportnation gestärkt werden während die deutsche Industrie gleichzeitig klimaneutral werden soll. 

Wohnen: Hunderttausende Neubauten

In Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt soll die Miete binnen drei Jahren nur noch bis zu elf Prozent steigen dürfen. Bisher waren bis zu 15 Prozent möglich. Pro Jahr sollen 400.000 neue Wohnungen gebaut werden. 100.000 davon sollen öffentlich gefördert werden.

Bildung: Digitalisierung von Schulen

Bildung ist die wichtigste Investition in die Zukunft. Darüber herrscht bei allen deutschen Parteien Einigkeit. "Wir wollen allen Menschen unabhängig von ihrer Herkunft beste Bildungschancen bieten, Teilhabe und Aufstieg ermöglichen und durch inklusive Bildung sichern“, heißt es im Koalitionsvertrag. Die Koalitionäre wollen besonders Schulen in sozial benachteiligten Lagen unterstützen. Im Vordergrund steht eine Modernisierung des Schulsystems durch die Anschaffung neuer digitaler Technik, Es sollen "zeitgemäße Lernumgebungen und Kreativlabore“ entstehen.

COP26 in Glasgow | Greta Thunberg
Mehr Mitspracherecht? Viele Schüler vor allem die Fridays-for-Future-Generation wollen auf Politik aktiv Einfluss nehmenBild: Scott Heppell/AP/picture alliance

Wahlrecht: Mehr Macht für Jugend

Die "Fridays for Future"-Demonstrationen haben gezeigt, wie sehr sich junge Menschen in die Politik einmischen wollen und können. Dem will auch der Koalitionsvertrag Rechnung tragen: Das Wahlalter soll auf 16 Jahre gesenkt werden. Das würde eine Änderung im Grundgesetzt nötig machen.  

Drogenpolitik: Kontrolliertes Kiffen erlaubt

Die drei Parteien verständigten sich darauf, eine "kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften" einzuführen. Dadurch würden "die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet", erwarten SPD, Grüne und FDP.

Ralf Bosen, Redakteur
Ralf Bosen Autor und Redakteur