Knigge-Tipps zum Presseball
22. November 2017Es gibt den Weißwurst-Knigge, den Krawatten-Knigge, den E-Mail-Knigge, den Business-Knigge und sogar einen Trauer-Knigge. Und das sind längst nicht alle. Kaum ein Bereich wird ausgespart von den Regelwerken, die für sich beanspruchen, das Maß der Dinge in Sachen Benehmen zu sein und den Namen "Knigge" wie ein Synonym für gute Manieren vor sich hertragen.
1788 hätte sich der norddeutsche Adolph Franz Friedrich Freiherr von Knigge wohl nicht träumen lassen, dass sein Name einmal auf nahezu jedem Etikette-Buch in Deutschland zu finden sein würde. Dabei orientieren sich die heutigen Bücher an einem falschen Vorbild. Denn Knigge hat damals mit "Über den Umgang mit Menschen" ein Handbuch für menschliches Miteinander verfasst. Konkrete Tischregeln sucht man darin vergebens.
Aufklärung statt Tischregeln
Knigge (1752-1796) hat ein Jahr vor der Französischen Revolution das Sozialverhalten der Menschen analysiert und darüber ein aufklärerisches Werk geschaffen. Der Humanist hat sich mit dem Werk des Philosophen Immanuel Kant auseinandergesetzt, Schriften des französischen Aufklärers Jean-Jacques Rousseau übersetzt und zahlreiche Werke zu Geschichte, Politik und Gesellschaft verfasst. Mit seiner berühmten Gesellschaftsstudie wollte Knigge eben diese verändern. Die Benimmregeln kamen erst später dazu: Weil es im 18. Jahrhundert noch kein einklagbares Urheberrecht gab, ergänzten andere Autoren Knigges damals schon sehr populäres Buch kurz nach Erscheinen um das, was heute noch so eng mit dem Namen "Knigge" verbunden ist.
In seinem ursprünglichen Buch widmet Knigge sich sämtlichen Bereichen des Zusammenlebens: Dem Umgang zwischen Eltern und Kindern, dem Umgang "mit und unter Verliebten", dem unter Eheleuten, mit Nachbarn, mit Über- und Untergeordneten, mit Freunden, dem zwischen Wirt und Gast, mit Gelehrten und Künstlern und dem Umgang mit sich selbst.
Knigge im digitalen Zeitalter
Viele seiner Ratschläge scheinen, mal mit einer Prise Humor, mal mit der nötigen Abstraktion für die heutige Welt, immer noch aktuell. So rät Knigge beispielsweise für den Umgang mit Freunden: "Reiche nicht jedem Deine rechte Hand dar. Umarme nicht jeden. Drücke nicht jeden an Dein Herz." Denn: "…wer wird Deinen Freundschaftsbeziehungen trauen, ihnen Wert beilegen, wenn Du so verschwenderisch in Austeilung derselben bist?" Eine Formulierung, die in Zeiten von Facebook-Freunden in dreistelliger Höhe weise klingt.
Neuauflagen von Knigges Sozialstudie verzichten jedoch bewusst auf Passagen, die völlig aus der Zeit gefallen sind: so beispielsweise auf Abschnitte, in denen Knigge vor betrügerischen Postkutschern oder Vorsicht beim Pferdehändler mahnt. Auch vor dem Kapitel "Über den Umgang mit Frauenzimmern" bleibt der Leser in vielen Neuauflagen dankenswerter Weise verschont. Denn Knigge hatte zwar den Geist der Aufklärung in sich, schaffte es jedoch nicht, diesen auf Frauen zu übertragen.
Knigges Andenken wird nicht nur in den zahlreichen Knigge-Büchern hochgehalten, sondern auch in Benimm-Seminaren; auch die Deutsche-Knigge-Gesellschaft und der Deutsche Knigge-Rat versuchen, seine Ideen auf die heutige Zeit zu übertragen.