Klimaschutz als Wirtschaftsfaktor
6. Dezember 2005Schmelzende Gletscher, steigende Meeresspiegel, Naturkatastrophen nicht gekannten Ausmaßes: Vor dem Hintergrund des sich abzeichnenden Klimawandels beraten auf der Weltklimakonferenz in Montreal noch bis zum Wochenende (9.12.2005) Fachleute aus aller Welt neue Ziele zur Minderung der Treibhaus-Gase. Die Zahlen sind gigantisch: 200 Billionen US-Dollar an ökonomischen Schäden werden Naturkatastrophen in den nächsten Jahrzehnten anrichten - so die Prognose des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.
Und auch der Blick zurück ist nicht viel freundlicher: Der Versicherungskonzern Münchner Rück hat ausgerechnet, dass sich die Schäden durch Stürme, Hochwasser und Erdrutsche in den vergangenen 50 Jahren verzehnfacht haben. Kein Wunder, dass es den Unternehmen dämmert: So kann es nicht weiter gehen, weil es auch um das eigene Überleben geht. Und anders herum: Klimaschutz ohne die Wirtschaft geht auch nicht.
Bei den Unternehmen ansetzen
"Da Kohlendioxid bei allen ökonomischen Tätigkeiten frei wird, muss Klimaschutz bei Unternehmen ansetzen. Die großen Emittenten wie Stahlerzeuger, Energieunternehmen, die sind alle betroffen", sagt Axel Michaelowa, Klimaforscher am Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Institut. "Die Unternehmen müssen sich damit auseinandersetzen, wie sie kostengünstige Möglichkeiten zur Treibhausgas-Reduktion bekommen."
Selbst beim weltgrößten Konzern, dem US-Giganten General Electric hat ein Umdenken eingesetzt. "Wir sehen die Bedrohung kommen", hat dessen Chef Jeffrey Immelt inzwischen festgestellt. "Jetzt ist die Zeit zum Handeln." Und es gibt noch ein Indiz: Die internationalen Finanzmärkte beobachten das Thema neuerdings sehr aufmerksam.
Die steuernde Hand des Staates gefragt
Doch die Sache allein den Mechanismen der freien Marktwirtschaft zu überlassen, das werde nicht funktionieren, meint Michaelowa: "Dieser Markt kann nur funktionieren, wenn der Staat klare Rahmenbedingungen setzt. Das heißt: Das Emissionsziel muss vom Staat vorgegeben werden." Freiwillige Aktivitäten alleine würden nicht ausreichen. Erfahrungen mit der Selbstverpflichtung in Deutschland und Japan zeigten, dass es dort einzelne Unternehmen zwar schaffen, Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasen durchzuführen.
Andere Unternehmen aber lehnten sich eher zurück, sagt Michaelowa. "Die Klimaschäden an sich sind für die Unternehmen natürlich fern in der Zukunft. Insofern braucht es schon die steuernde Hand des Staates, um den Einstieg in den Markt durch das Emissionsziel zu schaffen. Aber dann sollte man den Unternehmen freie Hand lassen, mit welchen Mitteln und wo sie die Reduktion erbringen."
Klares Signal gefragt
So hofft die Wirtschaft auf klare Vorgaben für den langfristigen Klimaschutz, um Investitionen planen zu können. Das aber setzt ein deutliches Signal der Konferenz in Montreal voraus. "Natürlich wäre es ideal, wenn man einen Fahrplan für 10 oder 15 Jahre hätte: Die meisten großen Investitionen der Unternehmen haben Lebensdauern von 10, 20 oder gar 30 Jahren", sagt Michaelowa. "Aus Montreal braucht es ein klares Signal, dass wir Klimaschutz im Sinne von Kyoto auch nach 2012 weiter betreiben."
Nachfrage an klimafreundlicher Technologie
Klimaschutz ist aber auch ein Milliardenmarkt. So rechnet die Internationale Energieagentur in den kommenden 25 Jahren mit einem Investitionsvolumen im Energiesektor von 16 Billionen US-Dollar. Von diesem riesigen Kuchen könnte auch einiges für die deutsche Wirtschaft abfallen. "Es gibt eine Reihe deutscher Unternehmen im Bereich erneuerbare Energien oder Energie-Effizienz-Technologien, die können sehr davon profitieren, dass im Rest der Welt solche Technologien jetzt auf große Nachfrage stoßen", weiß Michaelowa zu berichten. "Im Zusammenhang mit dem so genannten 'Clean Development Mechanism' werden zum Beispiel spezielle Klimaschutz-Projekte in Entwicklungsländern gefördert. Da ergibt sich ein riesiges Export-Potenzial."
Klimaforscher Michaelowa vergleicht den Markt derzeit mit dem Internet-Boom Anfang der 1990er Jahre. Überall entstünden kleine Unternehmen, von denen viele Wachstumspotenzial haben. Und davon will auch der Wissenschaftler profitieren. Mit seiner eigenen Firma hat er gerade einen Großauftrag an Land gezogen: Er berät eine koreanische Chemiefabrik beim Handel mit Verschmutzungsrechten.