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Klientelpolitik statt echter Reformen

13. Februar 2012

Teilerfolg in Athen: Das Parlament billigte das Sparpaket. Dennoch scheinen Griechenlands Spitzenpolitiker nicht fähig zu sein, die Probleme des Landes zu lösen. Die Wähler vermissen jedoch eine vernünftige Alternative.

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Griechische Fahnen wehen in Athen (Quelle: Axel Schmidt/dapd)
Bild: dapd

Die Athener Politiker sind in zwei Lager gespalten, was das neue Sparpaket angeht, das das Land vor dem Bankrott retten soll. Das wurde auch bei der Abstimmung über die Sparpläne im Parlament in der Nacht zu Montag (13.02.2012) klar. Das Sparpaket wurde zwar abgesegnet, doch es gab über 40 Abweichler in der Regierungskoalition. Sie wurden nach der Abstimmung aus ihren Fraktionen ausgeschlossen. Neben den friedlichen Demonstrationen gegen das Sparpaket, an denen sich etwa zehntausend Menschen in Athen beteiligten, brachen auch Krawalle aus. Randalierer setzten Dutzende Gebäude in Brand. Auch in anderen Städten kam es zu Ausschreitungen. Mehr als 120 Menschen wurden verletzt.

Wahlkampftheater im Gange

Der Abstimmung über das neue Sparpaket im griechischen Parlament waren einige turbulente Tage vorausgegangen. Kaum hatte die griechische Drei-Parteien-Regierung unter dem Ex-Zentralbanker Loukas Papademos das neue Sparpaket am Donnerstag (9.2.2012) gebilligt, nahm das übliche griechische Polittheater seinen Lauf. Denn der Wahlkampf hat begonnen. Als erster meldete der konservative Parteiführer Antonis Samaras Bedenken an und verlangte sofortige Neuwahlen. Trotzdem deutete er an, im Parlament für das Sparpaket zu stimmen. Daraufhin warf der für seinen Zick-Zack-Kurs berühmt-berüchtigte Rechtspopulist Giorgos Karatzaferis das Handtuch und ließ seine Minister zurücktreten. Sie verließen die Regierung, die Karatzaferis bis dahin wie kein zweiter unterstützt hatte.

Anschließend meldeten sich auch die Bedenkenträger der mitregierenden Sozialisten zu Wort: Sie erklärten, gegen das Sparpaket stimmen zu wollen, - oder sie traten gleich aus Protest gegen die Sparpolitik zurück. Griechische Kommentatoren vermuten, dass Ex-Ministerpräsident Giorgos Papandreou höchstpersönlich die sozialistischen Abweichler anführt, um seinen wichtigsten innerparteilichen Kontrahenten auszubremsen - den auf Sparkurs getrimmten Finanzminister Evangelos Venizelos.

Im Klientelismus verhaftet

"Selbst im freien Fall stehen die persönlichen Interessen der Politiker im Vordergrund", kommentiert das Athener Wirtschaftsblatt "Naftemporiki". Als neuer Sündenbock muss ab sofort die aus EU, IWF und EZB bestehende "Troika" herhalten, die Griechenland angeblich seit 2010 durch ihre Steuervorgaben kaputt gespart hätte. Auch die Troika selbst räumt mittlerweile gewichtige Fehler ein. Doch es war die griechische Regierung, die im Zweifel für höhere Steuern plädierte, weil sie Angst vor der Alternative hatte: Nämlich das zum großen Teil auf Klientelpolitik und Korruption beruhende politische System anzugreifen, Staatsausgaben zu kürzen, Privilegien abzuschaffen. Auch nach zwei Jahren schmerzhafter Sparpolitik ersticke die Verwaltungsbürokratie weiterhin die griechische Wirtschaft, sagte der Vizepräsident des griechischen Unternehmerforums, Stelios Stavridis, dem Athener TV-Sender Skai.

"Die Kosten der Bürokratie in Griechenland betragen 14 Milliarden Euro pro Jahr, das Doppelte des EU-Durchschnitts", beklagt Stavridis. Würde Griechenland genau im europäischen Durchschnitt liegen, dann könne das Land sieben Milliarden Euro im Jahr einsparen. Doch der Gesetzgeber sei nicht in der Lage, das Bürokratie-Monster zu bekämpfen. Daran würden nicht nur die Bürger, sondern auch zahlreiche Staatsdiener leiden, die ihren Auftrag ernst nehmen, beklagt der Unternehmer-Lobbyist.

Auch in Krisenzeiten werden enge Vertraute der politischen Klasse immer wieder mit attraktiven Posten versorgt. Jüngstes Beispiel: Kostas Theos, bis vor kurzem Büroleiter des Ex-Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou. Er wurde zum stellvertretenden Vorsitzenden der staatlichen Elektrizitätswerke DEI gekürt, obwohl die Stelle eigentlich gar nicht frei war. Der bisherige Vizechef musste einfach abtreten und ihm Platz machen. Griechische Kommentatoren kommen zu dem Schluss, die Athener Politiker seien gar nicht willens, das alte, auf Klientelismus beruhende System in Frage zu stellen, weil sie dadurch auch sich selbst abschaffen würden.

Mehr Unterstützung für die Bürger

Umso wichtiger wäre es zu diesem kritischen Zeitpunkt, den Griechen, die auf Reformen und ehrliche Arbeit setzen, den Rücken zu stärken, sagt der renommierte Politkommentator Alexis Papachelas.

"Das faule, den Ansprüchen nicht genügende politische System und das hart arbeitende griechische Volk dürfen nicht miteinander verwechselt werden" meint Papachelas. Das sollten auch die Freunde Griechenlands im Ausland wissen. Sie dürften nicht am Vorurteil des "faulen Griechen" festhalten und dabei ein ganzes Volk in Misskredit bringen. Das sei ein großer Fehler, der sich rächen würde.

Würde jetzt ein neues Parlament gewählt, kämen linke Oppositionsparteien derzeit auf insgesamt 40 Prozent der Wählerstimmen - so eine aktuelle Umfrage. Damit hätten sie eine Mehrheit im griechischen Parlament und die Möglichkeit, alle Sparmaßnahmen wieder zu kassieren.

Autor: Jannis Papadimitriou
Redaktion: Blagorodna Grigorova

Griechenlands Ex-Regierungschef Giorgos Papandreou, LAOS-Parteivorsitzender Giorgos Karatzaferis und Übergangsregierungschef Loukas Papademos (Quelle: EPA/ORESTIS PANAGIOTOU)
Papademos, Karatzaferis und Papandreou - Partner oder Gegner?Bild: picture-alliance/dpa
Griechenlands Kommunistische Partei protestierte am 12. Februar im Parlament gegen das Sparpaket EP(Quelle: A/PANTELIS SAITAS)
Nicht nur Oppositionspolitiker stellten sich gegen das SparpaketBild: picture-alliance/dpa