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Kleine Kredite - keine Wirkung

Mirjam Gehrke7. April 2014

Seit den 1970er Jahren gelten Mikrokredite als erfolgreiches Mittel gegen die Armut. Ein kritischer Blick auf die Wirksamkeit dieser Förderung zeigt jedoch, dass in erster Linie die Geldgeber profitieren.

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Reklame für Mikrokredite in Nigeria (Foto: dpa)
Reklame für Mikrokredite in NigeriaBild: DW

"Inés Huanca aus Bolivien erhielt umgerechnet zehn Euro als Startkredit für ihre Weberei. Die alleinerziehende Mutter konnte mit weiteren Kleinkrediten schrittweise ihre Einkünfte steigern und sich und ihre Familie nun selbst versorgen. Heute hat die Familie genug zu essen, und die Kinder können zur Schule gehen." Erfolgsgeschichten über die Wirksamkeit von Kleinkrediten, wie diese auf der Webseite der HilfsorganisationWorld Vision, gibt es viele. Die Idee dahinter: Aufstieg durch Unternehmertum. "Wenn sie einem Armen Kredit geben, schaffen Sie Chancen und geben ihm das Gefühl, dass er selbst etwas bewegen kann", so die Überzeugung von Muhammad Yunus, der für seine Idee der Mikrokredite an Arme 2006 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde.

Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus (Foto: AP)
Muhammad Yunus bekam 2006 den Friedensnobelpreis für sein Konzept der MikrokrediteBild: AP

Inzwischen aber ist die Euphorie verflogen. "Mikrokredite sind ein erfolgreiches Instrument im Kampf gegen die Armut. Aber sie sind kein Allheilmittel gegen Armut", gibt Florian Henrich von der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) zu bedenken. Die GIZ unterstützt Mikrofinanzprojekte mit dem Ziel, "langfristig Ersparnisse aufzubauen, damit man im Notfall eher auf die Ersparnisse zurückgreifen kann, als auf den Kredit", erläutert Henrich.

Der Volkswirtschaftler Philip Mader vom Seminar für Soziologie der Universität Basel geht noch weiter in seiner Kritik. Nach Auswertung zahlreicher internationaler Studien lautet sein Fazit: Kleinkredite verbessern nicht die Lebensumstände der Armen. Vielmehr führe die Förderung von Existenzgründungen dazu, "dass sehr viele Kleinunternehmer gleichzeitig unterwegs sind. So verstärkt sich die Konkurrenz zwischen denen, die sowieso schon sehr prekär leben."

Die Branche boomt

Drei Milliarden Menschen müssen von weniger als zwei Dollar am Tag überleben. Bei traditionellen Banken haben sie keine Chance auf ein Darlehen, weil sie keine Sicherheiten anbieten können. Diese Lücke soll durch Mikrokredite geschlossen werden.

Ein Bündel Geldscheine: Kleinkredite gibt es nur zu sehr hohen Zinssätzen von durchschnittlich 27 Prozent (Foto: B. Hartig)
Kleinkredite gibt es nur zu sehr hohen Zinssätzen von durchschnittlich 27 ProzentBild: DW/B. Hartig

2001 wurden Kleinkredite für insgesamt drei Milliarden Dollar vergeben, zehn Jahre später hatte sich das Volumen bereits verdreißigfacht - auf 90 Milliarden. "Mikrokredite sind entstanden, als der Staat und die öffentliche Versorgung in vielen Entwicklungsländern zurückgedrängt wurden", sagt Philip Mader, Mitherausgeber des Buches Rendite machen und Gutes tun?, das die Folgen neoliberaler Entwicklungspolitik untersucht. Seit der Mitte der 1990er Jahre hat die Weltbank massiv die Privatisierung öffentlicher sozialer Sicherungssysteme in Entwicklungsländern forciert. "Strukturanpassungsprogramme und die Schuldentilgung haben Lücken gerissen, die man mit Mikrokrediten zu füllen versucht hat", so Mader. Der Rückzug des Staates aus der Sozialversicherung hat dazu geführt, dass arme Bevölkerungsgruppen Risiken wie Krankheit oder Armut im Alter schutzlos ausgeliefert sind. Eine private Kranken- oder Rentenversicherung können sie sich nicht leisten.

Hoher Preis für kleine Kredite

Wer einen Kredit aufnimmt, verschuldet sich. Paradoxerweise müssen gerade die Ärmsten für die kleinen Darlehenssummen einen besonders hohen Preis zahlen. Der durchschnittliche Zinssatz beträgt 27 Prozent. "Hohe Zinssätze in der Mikrofinanzierung gehen meist auf höhere Kosten zurück", erläutert GIZ-Fachmann Henrich. "Im Verhältnis zur Kreditgröße ist es von den Transaktionskosten sehr aufwändig, einen Kleinkredit zu analysieren. Das führt insgesamt zu höheren Kosten."

Eine Frauengruppe in Myanmar trifft sich im Rahmen eines Mikrofinanzprojektes (Foto: B. Hartig)
Frauen gelten als sehr zuverlässige KreditnehmerinnenBild: DW/B. Hartig

Allein 2010 hat die Mikrofinanzbranche Gesamteinkünfte von 19,6 Milliarden Dollar verbucht. "Damit leisteten Mikrokreditnehmer einen höheren Schuldendienst als vergleichsweise der griechische Staat mit 16,6 Milliarden Dollar im selben Jahr", so Philip Mader im DW-Interview. Die Mehrarbeit, die nötig ist, um die Zinsen zu erwirtschaften, kommt im Endeffekt nicht dem eigenen Unternehmen zugute. Somit führe die Verschuldung durch Kleinkredite in erster Linie zu einem satten Gewinn für die Kreditgeber und auf der anderen Seite zu einer neuen Form der Ausbeutung von Arbeitskraft, kritisiert Volkswirtschaftler Mader.

Armut ist nicht allein eine Frage des Geldes

"Man muss sich von der Vorstellung lösen, dass jeder für seine Armut individuell selbst verantwortlich ist und dass der Finanzmarkt die Lösung für alle sozialen Probleme bereithält", fordert Philip Mader. Die US-Hypothekenblase ist ein gutes Lehrstück darüber, dass die private Verschuldung nicht zu mehr sozialer Sicherheit führt. Statt Kredite zu vergeben, damit arme Menschen im Krankheitsfall die Arztkosten bestreiten können, wäre ein öffentliches Gesundheitssystem demnach die richtige Antwort. Statt Straßenverkäufer mit einem Mini-Darlehen zu Kleinunternehmern machen zu wollen, wäre folglich der kostenlose Zugang zu Bildung der nachhaltigere Lösungsansatz.