Umweltklage gegen RWE angelehnt
15. Dezember 2016Die Verkündung dauert nicht einmal fünf Minuten. Im überfüllten Saal des Essener Landgerichts verkündete der Richter: Die Klage des peruanischen Bauern, dass RWE an der ihn bedrohenden Gletscherschmelze mitverantwortlich ist, sei unbegründet und unzulässig.
Der Peruaner Saúl Luciano Lliuya hatte beim Prozessauftakt Ende November als erster vor einem europäischen Zivilgericht gefordert, dass die vermeintlichen Verursacher des Klimawandels zur Rechenschaft gezogen werden. Der Kleinbauer und Bergführer sieht sich und seine Heimatstadt Huaraz von einer möglichen Flutwelle bedroht: Der darüber liegende Gletscher schmilzt - Schuld ist der Klimawandel.
Kein rechtlicher Zusammenhang
RWE sei als größter Klimagas-Emittent Europas mitverantwortlich für seine Lage, so das Argument der Anklage. Das Essener Landgericht argumentierte jedoch, dass der Zusammenhang zwischen RWE und dem Leid des Bauern allenfalls naturwissenschaftlich, aber nicht juristisch nachweisbar sei. Zudem sei die angegebene Flutgefahr nicht der RWE AG individuell zuzuordnen.
Die Anwältin des Kleinbauers, Roda Verheyen, zeigte sich nach dem Urteilsspruch enttäuscht, aber entschlossen. "Ich bin der Auffassung, dass das Gericht da den Schritt zu kurz gegangen ist", sagte sie.
Lliuya, der sich wieder in Peru befindet, bleibt kämpferisch: "Als Bergführer bin ich lange und steinige Wege gewohnt. Da darf man sich von Hindernissen nicht entmutigen lassen." Er sei "weiterhin zuversichtlich, dass uns ein deutsches Gericht die Chance geben wird zu zeigen, dass RWE für unsere gefährliche Situation mitverantwortlich ist", schreibt er in einer Pressemitteilung.
"Ich bin mir ziemlich sicher, dass mein Mandant nach Rücksprache in Berufung gehen wird", so Anwältin Verheyen. Die nächste Instanz ist das Oberlandesgericht Hamm.
Kollektive Verantwortungslosigkeit?
Konkret hatte Lliuya von RWE gefordert, die Kosten für die zukünftigen Schutzmaßnahmen zu tragen - und zwar anteilig zu dem Beitrag der Firma zur Umweltverschmutzung.
Nach Schätzung der Anklage sei RWE für 0,5 Prozent der seit Beginn der Industrialisierung ausgestoßenen Klimagase verantwortlich - deshalb solle der Energiekonzern eben jenes halbe Prozent der Kosten für den Schutz der Andenstadt tragen. Rund 50.000 Einwohner der westperuanischen Stadt Huaraz sollen von einer möglichen Flutwelle akut bedroht sein.
Lliuya verlangte 17.000 Euro Zuschuss für die bedrohte Gemeinde und 6300 Euro für Hilfsmaßnahmen, die er bereits an seinem eigenen Haus vorgenommen hat.
Dass das Gericht eine direkte Verbindung zwischen Lliuyas Lage und RWE für nicht erwiesen hält, sieht Anwältin Verheyen als Zeichen der kollektiven Verantwortungslosigkeit. Genau dagegen wolle ihr Mandant mit seiner Klage vorgehen.
"Länder wie Peru, die nicht verantwortlich für diese Verschmutzung sind, wir müssen mit den Konsequenzen leben und leiden darunter," sagte Lliuya der DW Ende November in einem Interview.
Klaus Milke, der Vorsitzende der unterstützenden Umweltschutzorganisation Germanwatch, glaubt, dass der Fall den "Hauptbetroffenen des Klimawandels" eine Stimme verleiht. Dies sei die erste Möglichkeit, sich gegen die Verursacher in den reichen Ländern zu wehren - "dafür steht ja ein stückweit RWE", so Milke.
RWE wies Klage von sich
RWE und die vertretende Antwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer lehnte bereits im Vorfeld des Urteils die Anträge als unbegründet ab: Die Rechtsgrundlage fehle, da die angebliche Flutgefahr nicht ausreichend belegt ist.
Zudem handle RWE nicht rechtswidrig - der Energiekonzern verfüge über eine Genehmigung nach dem Emissionshandelsgesetz.
Unberechtigt sei auch die Klage gegen einen einzelnen Akteur. Die Landwirtschaft oder der Luftverkehr trage ebenso zum Klimawandel bei. Das Problem sei auf staatlicher und internationaler Ebene zu lösen.
Doch bis dahin müssen die Bewohner von Huaraz mit der Gefahr leben. Laut Angaben von Germanwatch ist die Andenstadt besonders von der Gletscherschmelze bedroht. Der Pegel des Bergsees Palcacocha, der einige Kilometer über der Stadt liegt, sei allein seit 2003 um mehr als das Vierfache gestiegen.
"Unsere Regierung versucht zu helfen, aber das reicht nicht. Also müssen wir nach weiteren Möglichkeiten suchen, um die Bergseen zu stabilisieren und uns zu schützen," so Lliuya im DW-Interview.
Ob eine Zivilklage in Deutschland doch erfolgreich wird, wird sich erst langsam zeigen. "Ein fairer rechtlicher Kampf geht manchmal durch mehrere Instanzen und ich stehe mit ganz breitem Rücken da", so Anwältin Verheyen.