Kirgisisches Gold
14. Mai 2007Kumtor ist eines der zehn größten Goldfelder weltweit. Es liegt 4000 Meter hoch in den kirgisischen Bergen, etwa 350 Kilometer von der Hauptstadt Bischkek entfernt, nur 60 Kilometer von der Grenze zu China. Kumtor ist nicht die einzige Goldmine in Kirgisistan, aber sie ist von immenser Bedeutung: In den zehn Jahren seit ihrer Erschließung wurden hier mehr als 170 Tonnen Gold gefördert.
Leonid Oseledko, Leiter der Geologie-Abteilung der Staatlichen Agentur für Geologie und Bodenschätze, spricht von etwa 40 Gold-Lagerstätten, die wirtschaftlich interessant sein könnten, und deren Gesamtreserven auf 352 Tonnen zu schätzen seien. Fast das gesamte Gold, das in Kirgisistan gefördert wird, gelangt in den Export. Und das meiste davon, etwa 90 Prozent der Produktion, stammt aus Kumtor.
Es glänzt auch nicht alles was Gold ist
Trotz dieser wertvollen Ressourcen ist Kirgisistan mit seinen fünf Millionen Einwohnern ein armes Land. Seine Schulden sind fast so hoch wie das Bruttoinlandsprodukt. Es ist auf ausländische Investitionen angewiesen.
So ist die Kumtor-Goldmine die größte von einer westlichen Firma betriebene Goldmine in Zentralasien. Das kanadische Unternehmen "Cameco" begann Ende 1996 mit dem Goldabbau in Kumtor. Mittlerweile hat "Centerra Gold" das Geschäft übernommen, eine Firma, die 2004 aus dem Mutterunternehmen Cameco ausgegliedert wurde. Die Kumtor-Mine ist ihr Filetstück, inzwischen fördert sie dort etwa 20 Tonnen Gold jährlich - unter extremen Bedingungen. Um an den begehrten Rohstoff zu gelangen, werden bei Durchschnittstemperaturen von minus acht Grad Celsius und Schnee, der selbst im Sommer nicht schmilzt, täglich viele Tausend Tonnen Erz und Gestein gefördert.
Weil das Gold in Kumtor im Erz enthalten ist, verwendet man zur Gewinnung des Metalls eine giftige chemische Lösung. Eine Grundkomponente dieser Lösung ist Zyanid, ein Salz der Blausäure, das wasserlöslich und sehr giftig ist - aber angeblich nicht gefährlich für Mensch und Umwelt, betont Rodin Stuparek, Direktor der Umweltschutz-Abteilung in Kumtor. "Wir gehen sehr verantwortungsvoll mit dem Zyanid um." Überall dort, wo Zyanid benutzt wird, gebe es Kontrollmonitore, die die Konzentration in der Luft überwachen. Internationale Standards erlauben einen Zyanid-Gehalt in der Luft von 5 zu 1.000.000.
Kein Gold besticht ein empörtes Gewissen
Dennoch bleibt bei vielen Kirgisen ein ungutes Gefühl. Den Beteuerungen des Unternehmens glauben die meisten schon seit einem Unfall im Mai 1998 nicht mehr. Damals stürzte in der Nähe der Ortschaft Barskoon ein LKW mit einer Ladung von mehr als 20 Tonnen Zyanid für die Goldmine Kumtor in einen Fluss, aus dem sich die Bevölkerung mit Wasser versorgt. Die Folgen sind äußerst umstritten und schwer zu belegen. Unklar blieb bis heute, wie viele Menschen durch die Zyanid-Vergiftung starben. Nicht nur Umweltschützer glauben, dass der Unfall in Barskoon zu nicht wieder gut zu machenden Schäden geführt hat.
Menschenrechtler kritisieren vor allem das damalige Krisenmanagement. Tolekan Ismailowa ist die Vorsitzende der Nichtregierungsorganisation "Bürger gegen Korruption". Sie erinnert sich an die Panik, die damals um sich griff. Die Regierung habe die Menschen jedoch nicht über die Gefahren informiert, im Gegenteil, sie habe alles dafür getan, dass die Menschen so wenig wie möglich erfuhren. "Alle taten so, als sei rein gar nichts passiert. Trotzdem wurden die Leute plötzlich umgesiedelt, auf die andere Seite des Sees, ans nördliche Ufer. Sie haben gar nicht verstanden, wohin man sie bringt, und warum."
In der Verwaltung von Kumtor sieht man die Dinge anders. Die Evakuierung der Region sei unnötig gewesen, es habe zu keiner Zeit Gefahr bestanden, heißt es in einer Pressemitteilung aus der damaligen Zeit, die sich auf internationale Untersuchungsberichte bezieht.
Der gelbe Kern der Erde ...
Seit dem Unfall in Barskoon sind viele Jahre vergangen, aber das Image der ausländischen Investoren hat einen großen Kratzer bekommen. Viele Kritiker meinen, die kirgisische Regierung habe zu Beginn der 90er-Jahre vorschnell eine Generalvereinbarung mit den Geldgebern aus Kanada unterschrieben. Selbst im Parlament regte sich schon früh Protest, der bis heute nicht abgeklungen ist. Der damalige Parlamentsabgeordnete Schergazy Mambetalijew erinnert sich an die Untersuchungen einer Parlamentskommission, deren Vorsitzender er 1993 war. Diese so genannte Goldkommission stellte fest, dass der damalige Präsident Akaev die Kumtor-Mine ganz offensichtlich der kanadischen Firma Cameco überlassen hatte. "In einer Regierungssitzung habe ich gesagt, dass man es so nicht machen kann. Wir hatten doch gar keine Erfahrung in der Zusammenarbeit mit ausländischen Firmen!"
Man hätte lieber klein anfangen sollen und nicht das wichtigste Goldvorkommen des Landes aus der Hand geben dürfen, meinen viele. Doch da war das Generalabkommen der Regierung mit Cameco bereits unterzeichnet. Heute sehen viele Kirgisen die Präsenz westlicher Investoren mit Skepsis.
Aber ob willkommen oder nicht - die ausländischen Geldgeber sind für die kirgisische Wirtschaft überlebenswichtig. Fast zwei Milliarden Dollar beträgt die Summe der Auslandsschulden, sie entsprechen fast der Höhe des Bruttoinlandsproduktes.
... das Gold, hat alle Macht
Finanzminister Akylbek Schaparow sieht sein Land in einer schwierigen Lage, aber auf dem richtigen Weg. Investitionen seien Voraussetzung, um ein hohes Maß an Entwicklung zu erreichen. "Natürlich gibt es die Gefahr, dass irgendein Milliardär gleich das ganze Land kaufen will." Trotzdem, es komme darauf an, Bedingungen für Investoren zu schaffen, die sicherstellen, dass deren Aktivitäten auch den Interessen Kirgisistans entsprechen - indem sie Arbeitsplätze schaffen, die Rechte der Einwohner und die Gesetze des Landes respektieren, und auf Umweltschutz achten.
Schon lange ist man in dem kleinen Land zwischen Kasachstan und China auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, um die vorhandenen wirtschaftlichen Potenziale besser auszuschöpfen. Eine Alternative ist die Nutzung von Wasserkraft. An den Ufern der kirgisischen Flüsse, die über viele Hundert Kilometer durch Berge und Schluchten strömen, stehen schon heute zahlreiche Wasserkraftwerke. Jährlich exportiert Kirgisistan etwa zwei Milliarden Kilowattstunden Energie. Dennoch wird das Land auf absehbare Zeit nicht vom Gold loskommen - sorgt doch der Handel mit dem begehrten Rohstoff immerhin für 40 Prozent der Export-Einnahmen des Staates.