Kirgisischer Präsident entlässt Regierung
9. Oktober 2020Im zentralasiatischen Kirgistan hat Präsident Sooronbaj Dscheenbekow die Regierung entlassen. Das geht aus einem in der Hauptstadt Bischkek veröffentlichten Dekret hervor. Das Staatsoberhaupt akzeptierte damit den Rücktritt von Ministerpräsident Kubatbek Boronow. Der Regierungschef hatte nach den Ausschreitungen zu Wochenbeginn als Reaktion auf die von Fälschungen überschattete Parlamentswahl seinen Posten geräumt.
Etliche Oppositionsgruppen beanspruchen die Macht für sich. Die Lage in dem Land an der Grenze zu China ist unübersichtlich: Mehrere Politiker ließen sich zum amtierenden Regierungschef ausrufen, darunter der aus dem Gefängnis befreite Nationalist Sadyr Schaparow, der wegen Geiselnahme zu elfeinhalb Jahren Haft verurteilt worden war.
Notstand in Bischkek verhängt
Der Präsident verhängte inzwischen den Ausnahmezustand über Bischkek. In der Hauptstadt gelten ab diesem Freitagabend eine Ausgangssperre und verschärfte Sicherheitsmaßnahmen. Außerdem würden dort Soldaten stationiert, teilte das Präsidialbüro mit.
Demonstranten fordern seit Tagen eine Neuwahl und den Rücktritt des Staatschefs. Dscheenbekow signalisierte nach drei Jahren im Amt, im Anschluss an die Bildung einer neuen Regierung zurückzutreten. "Ich fordere alle politischen Kräfte auf, den Frieden und die Ruhe im Land aufrechtzuerhalten und das Volk nicht zu spalten", sagte er.
Das Parlament strebt ein Amtsenthebungsverfahren gegen Dscheenbekow an. Die Wahlkommission hatte das Ergebnis der Abstimmung vom Sonntag für ungültig erklärt, wonach vier Parteien den Einzug ins Parlament schafften - drei von ihnen stehen dem Präsidenten nahe. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sprach von "glaubwürdigen" Berichten über Stimmenkauf. Es soll nun eine Neuwahl geben.
Enger Verbündeter Moskaus
Die frühere Sowjetrepublik mit rund 6,5 Millionen Einwohnern ist ein enger Verbündeter Russlands, das einen Luftwaffenstützpunkt in Kirgistan unterhält. Die Regierung in Moskau erklärte zuletzt, das Land sei ins Chaos gerutscht und müsse stabilisiert werden. In den vergangenen 15 Jahren wurden zwei Präsidenten durch Revolten gestürzt. Bei schweren Auseinandersetzungen mit der Polizei im Zuge der jüngsten Proteste gab es bislang mindestens einen Toten und Hunderte Verletzte.
jj/kle (dpa, afp, rtr)