Kirche auf Kuba
9. Januar 2009Kuba, 1.Januar 1959: der Diktator Fulgencio Batista verlässt die Insel, Fidel Castro und seine Commandantes übernehmen die Macht. Dritter in der Hierarchie ist der katholische Lehrer Huber Matos. Seite an Seite mit den Castro-Brüdern zieht er in Havanna ein. Kurze Zeit später distanziert sich der bürgerlich-liberale Matos allerdings vom immer stärker forcierten Kommunismus und von Castros Konzept, seine Gegner einfach umzubringen. Dafür wird Matos 20 Jahre lang als politischer Gefangener im Gefängnis sitzen.
Vom Mitstreiter zum Kritiker
Heute lebt er in Miami und engagiert sich als Generalsekretär der exilkubanischen Organisation „Unabhängiges und demokratisches Kuba“ noch immer politisch, allerdings als einer der heftigsten Kritiker Castros. Der 50. Jahrestag der Revolution ist für ihn kein Grund zu feiern. Tausende von Kubanern seien damals erschossen worden - einige zwar, weil sie Komplizen von Batista waren, aber die meisten einfach deshalb, "weil sie Gegner von Castro waren.“
Matos selbst sagt von sich: ich wollte eigentlich nur Batista aus dem Amt treiben, weil er die Grundrechte der Bürger außer Kraft gesetzt hatte. Castros sozialistischer Staat ist für Matos eine einzige Rückentwicklung, ein Abstieg einer der ehemals reichsten Staaten der lateinamerikanischen Welt zu einem bettelarmen Land. Auch politisch habe die Bevölkerung nach wie keine Rechte, so Matos: „Noch immer sitzen sehr, sehr viele im Gefängnis, mehr oder minder ausdrücklich als politische Gefangene." Es gäbe sogar noch immer "dieses unglaubliche Gesetz", dass man schon ins Gefängnis kommen kann, wenn man nur in Gedanken gegen die Regierung sei, empört sich Matos.
Wandel der Kirche
In den meisten lateinamerikansichen Ländern veränderte die katholische Kirche in den vergangenen 50 Jahren ihren Blickwinkel stark.Ende der 60er Jahre, mit Rückenwind der Befreieiungstheologie, wandten sich viele Geistliche bewusst sozialen Themen zu, engagierten sich im Kampf für Arme und Rechtlosen zugewandt. Ziele, die den Revolutionären eigentlich sympathisch sein müssten, meint Matos. Doch die kubanische Regierung kontrolliert die Kirche nach wie vor stark. Sie lässt nur sehr wenige Priester zu, Gläubige werden benachteiligt, Anschaffungen und Reparaturen müssen mit langwierigen Anträgen mühsam erkämpft werden. Einige Jahre war die Kirche sogar nahezu verboten.
1998 schöpfen die kubanischen Katholiken Hoffnung auf mehr Glaubensfreiheit. Damals besuchte erstmal der damalige Papst Johannes Paul II. den Inselstaat. Als eine Art Gastgeschenk brachte er den deutschen Priester Michael Bautz mit, der mehrere Jahre auf der Insel arbeiten sollte. "Die Stimmung war fantastisch, "erinnert sich der, "doch nach wenigen Monaten hieß es dann von oben: alles, was an den Papstbesuch erinnert, unterdrücken!“
Wann war noch mal Ostern?
Dennoch bezeichnen sich heute rund 45% der Kubaner als Christen. Obwohl die katholische Kirche bis heute nur eingeschränkt arbeiten kann, leistet sie viel: Neben Sozialarbeit und Katastrophenhilfe versucht sie, mit Bildung die kulturelle Isolation der kubanischen Bevölkerung aufzubrechen – als Weg zu mehr Demokratie. Hilfe kann dabei schon ein simpler Kalender leisten, sagt Javier Legorreta, Kuba-Referent von „Kirche in Not“. Die Leute auf Kube wüssten oft nicht, wann Vollmond ist, wann die heiligen Feste oder sogar wann ist Heiligabend oder Ostern sei. "Man glaubt nicht, wie stark die Isolation ist.“
Seit einigen Jahren hat die Regierung die engen Fesseln für die katholische Kirche etwas gelockert, einige Gotteshäuser konnten geweiht werden, die Bischöfe dürfen mehrere Radioansprachen im Jahr halten und den Priesteramtskandidaten wird mehr Essen zugeteilt. Viele Beobachter sehen insgesamt einen langsamen Wandel in Kuba kommen, nicht zuletzt deshalb, weil in einigen Jahren ein Generationswechsel anstehen wird – wenn auch Raúl Castro zu alt sein wird. Noch allerdings ist die politische Opposition zersplittert, zusätzlich aufgerieben vom ständigen Kampf gegen Armut und Arbeitslosigkeit.
Rolle als Vermittler
Mittelfristig gesehen jedoch könnte die katholische Kirche eine vergleichbare Rolle spielen wie im Polen der 80er Jahre. Denn sie ist die einzige größere Organisation außerhalb der sozialistischen Massenorganisationen, unter ihrem Dach sammeln sich bereits Dissidenten. Der exilkubanische Journalist und Menschenrechtler Jorge Garcia Vazquez: glaubt, die katholische Kirche werde bei diesem Wandel eine entscheidende Rolle spielen. Vor allem, indem sie sich für Aussöhnung zwischen der Regierung und der kubanischen Opposition einsetze. "Ich wünsche mir, dass die kubanische Kirche das Herz und die Lippen und die Hände des kubanischen Volkes und der Opposition sein möge.“