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Kinderarbeit für die Schule

26. April 2010

Jedes Kind hat ein Recht auf Bildung. Doch für viele Kinder bleibt Schule unerschwinglich. Wie für Juliette aus Uganda. Ihre Eltern haben kein Geld. Die 10-Jährige arbeitet um ihre Schulgebühren selbst zu bezahlen.

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Juliette in ihrem Klassenzimmer vor der Tafel (Foto: Simone Schlindwein)
Juliette möchte gerne Ärztin werdenBild: DW

Das 10-jährige Mädchen mit den langen, geflochtenen Haaren räumt die Bierflaschen zusammen. Sie packt sie in eine Plastiktüte und schleppt sie dann zurück zum Laden, um neues Bier für den Nachbarn zu kaufen. Anschließend schrubbt sie das Haus, geht einkaufen und kocht für ihn Reis mit Hühnchen. Juliette arbeitet hart, damit ihr Nachbar ihre Schulgebühren bezahlt. Denn er ist in ihren Augen ein reicher Mann.

Juliette dagegen wurde mal wieder von ihrem Schuldirektor nach Hause geschickt, weil sie die Gebühren nicht bezahlen kann. "Ich fühle mich wirklich schlecht, wenn ich von der Schule nach Hause geschickt werde", erzählt sie. "Ich mag es nicht, so aufzuwachsen. Ich will in die Schule gehen, das ist gut für meine Zukunft. Ich will doch hart lernen, damit ich später mal Ärztin werden kann. Ich will Kranke behandeln und als Ärztin kann ich meine Träume verwirklichen."

Vier Frauen - viele Kinder

Längst nicht alle Kinder können zur Schule gehen (Foto: dpa)
Längst nicht alle Kinder können zur Schule gehenBild: dpa

Juliette schuftet, damit ihre Träume eines Tages vielleicht doch wahr werden. Das Geld für die Schulgebühren muss sie sich selbst verdienen. Rund 20 Euro umgerechnet kostet das Schuljahr. Rund 10 Euro muss sie für das Mittagessen in der Schule bezahlen. Dazu benötigt sie eine Schuluniform, Schuhe, Rucksack, Hefte und Stifte – und, da die Schulverwaltung kein Geld hat, muss jeder Schüler zwei Packungen Toilettenpapier und einen Besen mitbringen, um die Klassenzimmer sauber zu halten.

Alles in Allem zu viel Geld für ihre Eltern. "Sie können sich das nicht leisten", sagt Juliette: "Meine Mutter hat kein Geld, um meine Schulgebühren zu bezahlen. Mein Vater sollte eigentlich bezahlen. Aber er hat kein Geld für die Schulgebühren für mich und all meine Geschwister. Mein Vater hat vier Frauen und viele, viele Kinder, ich kann sie gar nicht alle zählen. Ich verstehe ihn nicht. Wenn wir wegen den Schulgebühren nach Hause geschickt werden, dann wirft er uns vor, dass wir schwänzen und droht, uns zu schlagen, wenn wir nicht in die Schule gehen." So bleibt Juliette nichts anderes übrig, als täglich für ihren Nachbarn zu arbeiten, damit dieser ihr die Schulgebühren bezahlt.

Schule der Mängel

Juliette vor ihrer Schule (Foto: Simone Schlindwein)
Juliette vor ihrer SchuleBild: DW

Am nächsten Tag steht Juliette um Punkt sieben Uhr in ihrer rotkarierten Schuluniform im Klassenzimmer ihrer Grundschule und singt die Nationalhymne. Die Schule ist eine heruntergekommene Holzbaracke. Es gibt keine Fensterscheiben, keinen Fußboden, nur staubigen Sand. Die Termiten fressen die Sperrholzbretter an. Dicht gedrängt hocken die Kinder auf den wenigen Holzbänken. Der Schulleiter hat nicht einmal Geld für Tafelkreide.

Das Problem: Die Schulen erhalten kein Geld vom Staat. Die Schulgebühren sind seine einzige Finanzquelle, klagt der Schulleiter David Sematimba: "Auch wenn unsere Gebühren die niedrigsten in der Region sind, können es sich die Eltern nicht leisten." Oft muss er deshalb Kinder wieder nach Hause schicken. Sie können erst dann zurückkommen, wenn die Eltern das Geld für die Gebühren zusammen haben. Nur jedes zehnte Kind kann alle Gebühren bezahlen – was sich auch in der Buchhaltung für die Schule bemerkbar macht.

Weltweit höchste Zahl der Fehltage von Lehrern

Juliettes Lehrer David Sematimba zeigt das Lehrerzimmer (Foto: Simone Schlindwein)
Juliettes Lehrer David Sematimba zeigt das Lehrerzimmer.Bild: DW

Schulleiter Sematimba blickt verzweifelt auf seine Buchhaltungsstatistik. Seit Monaten kann er den Lehrern kein Gehalt bezahlen. Auch er selbst hat seit Monaten nichts verdient. Er lebt von dem, was auf seinem Acker wächst. Bald, sagt er, werden viele Lehrer gar nicht mehr unterrichten, weil sie sich einen anderen Job suchen. Dann muss er Juliette und ihre Klassenkameraden wieder nach Hause schicken – dieses Mal nicht wegen ausstehenden Schulgebühren, sondern weil die Lehrer nicht erscheinen.

Uganda hat die höchste Zahl an Fehltagen von Lehrern weltweit. Unter diesen Bedingungen wird es für Juliette trotz harter Arbeit schwierig werden, ihr Ziel zu erreichen, Ärztin zu werden. Dabei haben Kinder wie Juliette laut Kinderrechtskonvention ein Recht auf Bildung.

Autorin: Simone Schlindwein

Redaktion: Katrin Ogunsade