KI-Washing: Wenn in Wirklichkeit keine KI drin ist
2. August 2024Der Begriff Green-Washing ist allgemein bekannt – aber KI-Washing? Ebenso wie manche Unternehmen hoffen, mit Nachhaltigkeitsversprechen ihre Produkte besser zu verkaufen, hoffen inzwischen einige Produzenten auf mehr Absatz mit Produkten, die Künstliche Intelligenz (KI, auf Englisch AI) enthalten. Aber nicht alles, wo "grün" draufsteht, ist auch grün - und dasselbe gilt für KI.
Stellen Sie sich vor, Sie wollen den neuesten Staubsauger kaufen. Bei der Recherche stoßen Sie auf "normale" Geräte und auf eins, das KI nutzt. So zumindest die Herstellerbehauptung. In Wirklichkeit hat der Staubsauger aber nur eine einfache Sensortaste, damit er nicht gegen Möbel stößt. Nichts Besonderes oder Bahnbrechendes. So etwas wäre dann KI-Washing.
KI kann (angeblich) fast alles: von Bier bis Autodesign
Viele Unternehmen schmücken sich inzwischen damit, KI zu nutzen - ob berechtigt oder nicht, ist für Verbraucherinnen und Verbraucher nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen. So wirbt der Getränkegigant Coca-Cola mit "Coca‑Cola Y3000", das mit Hilfe von KI kreiert worden sein soll.
Der Bierhersteller Becks freut sich darüber, dass ihm KI nicht nur ein "innovatives" Bier, sondern auch noch die Dose dafür und die passende Werbung entworfen hat. Und bei Toyota soll KI helfen, Autos zu designen, so das Toyota Research Institute.
Einige Unternehmen werben schon damit, ihre Produkte würden KI enthalten, bevor sie diese überhaupt auf den Markt bringen. Auch wenn lediglich der Plan besteht, das Produkt irgendwann einmal mit KI auszustatten, wird es manchmal schon beworben, als enthielte es bereits KI.
Laut Joerg Heidrich, Rechtsanwalt und zertifizierter KI-Spezialist mit Sitz in Hannover, wissen viele Menschen in Deutschland nicht genau, wie KI in Produkten und Dienstleistungen eingesetzt wird.
"Es wird viel mit Falschem geworben. Ich sehe das sehr oft in zwei Bereichen, in denen ich arbeite", sagt er. "Zum einen im Bereich Cybersicherheit. Außerdem bei Legal-Tech-Unternehmen."
Legal-Tech-Unternehmen setzen moderne Technologien ein, um den Zugang zu juristischen Dienstleistungen zu erleichtern. "Jedes Legal-Tech-Unternehmen wirbt damit, dass es KI einsetzt, was aber größtenteils falsch ist", so Heidrich zur DW.
Warum ist KI-Washing ein Problem?
KI-Washing kann dazu führen, dass echte KI-Innovationen nicht richtig sichtbar werden. Außerdem macht es Verbraucherinnen und Verbraucher misstrauisch gegenüber Produkten, die KI enthalten.
Investoren können zudem leichter echte Durchbrüche übersehen, wenn sehr viele Produkte fälschlicherweise mit KI beworben werden.
Schwierig sei die Situation außerdem, weil der Begriff KI vage sei und nicht einheitlich verwendet werde, meint Christoph Lütge vom Münchner Institut für Ethik in der Künstlichen Intelligenz. Daher sei es gut, "einen Experten zu haben, der die Regulierungsbehörden und die Zivilgesellschaft in ethischer Hinsicht berät", sagte er der DW.
US-Börsenaufsicht warnt
Gegen KI-Washing hat sich bereits die US-Börsenaufsicht (SEC) positioniert. Sie warf im März dieses Jahres den beiden Investmentfirmen Delphia und Global Predictions vor, falsche und irreführende Angaben zu ihrem Einsatz von Künstlicher Intelligenz gemacht zu haben.
Der SEC zufolge behauptete das in Toronto ansässige Unternehmen Delphia fälschlicherweise, dass es kollektive Daten einsetze, um seine KI zu trainieren. Diese solle dann besser vorhersagen können, welche Unternehmen und Trends kurz vor dem Durchbruch stünden.
Anleger würden so in die Lage versetzt, schneller als Wettbewerber zu investieren. In Wirklichkeit verfügt Delphia aber nicht über die behaupteten KI- und Maschine-Learning-Fähigkeiten.
Ähnlich hat das in San Francisco ansässige Unternehmen Global Predictions auf seiner Website und in den sozialen Medien fälschlicherweise behauptet, es sei der "erste regulierte KI-Finanzberater", und falsch dargestellt, dass seine Plattform auf KI basierende Prognosen liefere.
"Es hat sich immer wieder gezeigt, dass neu auf den Markt kommende Technologien bei Investoren Begeisterung auslösen können", so der SEC-Vorsitzende Gary Gensler in einer Presseerklärung. Dass könne aber auch dazu führen, dass Unternehmen fälschlicherweise behaupten, diese neuen Technologien zu nutzen. "KI-washing schadet den Anlegern."
Die beiden Firmen erklärten sich inzwischen damit einverstanden, eine Strafe in Höhe von insgesamt 400.000 Dollar (368.000 Euro) zu zahlen.
Regelungen der EU: KI-Gesetz
Das KI-Gesetz der Europäischen Union ist am 1. August 2024 in Kraft getreten, wobei die Bestimmungen schrittweise in den folgenden zwei Jahren anwendbar werden.
Nach dem Gesetz werden KI-Anwendungen je nach dem Risiko, das für die Nutzenden entstehen kann, in verschiedene Kategorien eingeteilt. Die Risikostufen werden mehr oder weniger stark reguliert.
Dadurch sollen die in der EU eingesetzten KI-Systeme sicher, transparent, nachvollziehbar, nicht diskriminierend und umweltfreundlich sein.
"Das KI-Gesetz ist nicht dafür zuständig, den Bereich des KI-Washings zu regulieren", sagt Joerg Heidrich. "Es sorgt aber dafür, dass Unternehmen sehr transparent in Bezug auf KI sind. Das könnte indirekt dazu beitragen, falsche Werbung von Unternehmen zu begrenzen."
Aus dem Englischen adaptiert von Insa Wrede.