Keine Verschiebung der Wahl
2. Januar 2014"Zur Zeit ist die Situation sehr angespannt", bestätigt Imtiaz Ahmed, Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Dhaka. Die regierende Awami Liga (AL) und die größte Oppositionspartei Bangladesh Nationalist Party (BNP) liegen seit Wochen in heftigem Streit über die Durchführung der Parlamentswahlen, die am 05. Januar stattfinden sollen.
Nachdem der Wahltermin Mitte November bekannt wurde, reagierten Anhänger der BNP mit Gewalt. Im ganzen Land gingen sie auf die Straßen, steckten Dutzende Fahrzeuge in Brand und lieferten sich Auseinandersetzungen mit der Polizei. Mehr als 100 Menschen kamen seither bei den gewalttätigen Ausschreitungen ums Leben, tausende wurden verletzt.
Übergangsregierung
Der Stein des Anstoßes war und ist der Streit über die Bildung einer Übergangsregierung, die die Wahlen vorbereiten sollte. Regierungschefin Sheikh Hasina hat inzwischen ein sogenanntes Allparteien-Kabinett gebildet. Ihm gehören nur Minister ihrer Koalition an, sie selber bleibt in diesem Übergangskabinett die Regierungschefin. Daran stößt sich die Opposition. Sie betrachtet die amtierende Regierung als "illegal" und fordert eine neutrale Experten-Übergangsregierung.
Regierungschefin Sheikh Hasina verweist darauf, dass das Gesetz, das die Einsetzung einer solchen Expertenregierung vor der Wahl vorschrieb, abgeschafft sei. Es habe in der Vergangenheit dem Militär ermöglicht, einzugreifen und die Macht zu übernehmen, so ihre Begründung. Im Jahr 2007 hatte das Militär eine nicht gewählte autoritäre Übergangsregierung eingesetzt, die schließlich sowohl Sheikh Hasina als auch ihre politische Widersacherin und Oppositionsführerin, Khaleda Zia, wegen Korruption ins Gefängnis sperrte.
Protest auf die Straße verlagert
Mit Massenkundgebungen, gewalttätigen Auseinandersetzungen und Generalstreiks artikulieren die Oppositionsparteien seit Wochen ihren Protest gegen das Vorgehen der Regierung. Die Auseinandersetzung wird auf der Straße geführt. "Die Opposition muss der Regierung ihre Muskeln zeigen, das kann sie nicht im Parlament, sondern nur auf der Straße", erklärt Politikwissenschaftler Imtiaz Ahmed diesen politischen Mechanismus in Bangladesch. "Nun wartet die Regierungspartei ab, um zu sehen, wie stark die BNP ist. Wenn sie wirklich in der Lage ist, das öffentliche Leben lahmzulegen und viel Gewalt zu produzieren, dann wird die Awami-Liga vielleicht zu einem Kompromiss bereit sein."
Doch bisher zeichnet sich solch ein Kompromiss nicht ab. Im Gegenteil: 18 Oppositionsparteien haben verkündet, an der Parlamentswahl nicht teilnehmen zu wollen und auch die Jatiya Partei, ein wichtiger Verbündeter der Regierung, will den Urnengang boykottieren. Zur Wahl treten nur die regierende Awami Liga und einige kleinere linke Parteien an.
Politische Polarisierung
Die Parteienlandschaft in Bangladesch ist geprägt von der unversöhnlichen Feindschaft der beiden Führerinnen der Hauptparteien, Sheikh Hasina (Awami League) und Khaleda Zia (BNP), die sich schon seit Jahrzehnten als Regierungschefinnen mehrfach abgewechselt haben.
"Egal, welche Partei gerade an der Regierung ist, sie marginalisiert die Opposition. Die setzt dann sämtliche Mittel ein, um sich gegen die Regierung zu behaupten", erklärt Jasmin Lorch, Bangladesch-Expertin beim GIGA-Institut für Asien-Studien. Sie sieht die Entwicklung mit Sorge: "Wenn kein Kompromiss zwischen den beiden großen Parteien erreicht wird, stehen Bangladesch Straßenschlachten und immer weiter gehende politische Instabilität bevor." Auch Imtiaz Ahmed fürchtet, dass in diesem Fall die Gewalt weiter eskalieren wird. Dann riskiere Sheikh Hasina, dass das eintrete, was sie eigentlich vermeiden wollte: das Militär könnte wieder einschreiten, "und dann wird die Situation noch weitaus chaotischer."
Nicht erst in dieser Situation sei die internationale Gemeinschaft gefordert, so die Experten. "Sie könnte eine wichtige Rolle spielen", so Jasmin Lorch, "indem sie auf Gespräche drängt zwischen den politischen Kräften, aber gleichzeitig auch signalisiert, dass man eine Intervention des Militärs ablehnt."