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Politik

Pflegekräfte aus Osteuropa ohne Impfung?

Katarzyna Domagala-Pereira
13. Januar 2021

Vergessen wurden die osteuropäischen Betreuerinnen und Betreuer in deutschen Haushalten in der Corona-Impfstrategie der Bundesregierung nicht - aber diverse Hürden machen den meisten von ihnen eine Impfung unmöglich.

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Pflegekräfte stehen am 27.12.2020 vor dem Impfzentrum Arena in Berlin Treptow in einer langen Schlange für die Impfung gegen das Corona-Virus an. Am Sonntag haben die Corona-Impfungen mit dem Covid-19-Impfstoff von Biontech/Pfizer in Deutschland begonnen.
Pflegekräfte warten am 27.12.2020 vor dem Impfzentrum Arena in Berlin Treptow auf ihre Impfung gegen das Corona-VirusBild: Kai Niettfeld/dpa/picture alliance

"Keine Impfung für Betreuerinnen", so die Überschrift eines Interviews mit dem Integrationsforscher Niklas Harder, das am 5. Januar 2021 in der Berliner Tageszeitung "taz" erschien. Der Politikwissenschaftler und Mitarbeiter des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) in Berlin führt derzeit eine Online-Befragung unter polnischen Pflegekräften und Vermittlungsagenturen durch.

Pflege- und Betreuungskräfte aus Osteuropa, die in privaten Haushalten in Deutschland arbeiten, würden "in der Impfstrategie der Bundesregierung bisher nicht berücksichtigt", so Harder in dem "taz"-Interview. "Bisher wird nur das Pflegepersonal, das in Deutschland in Heimen und bei ambulanten Diensten angestellt ist, bevorzugt geimpft. Die Gruppe der osteuropäischen Betreuerinnen müsste unbürokratisch Zugang zu Impfungen erhalten, etwa in den Impfzentren", fordert der Experte.

Corona-Impfbeginn Sachsen: Hanna Hertzsch, 85-jährige Bewohnerin im Pflegeheim Haus an der Linde im Landkreis Zwickau, wird am 27.12.2020 von Impfarzt Axel Stelzner gegen Corona geimpft. Am Sonntag haben die Corona-Impfungen mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer in Deutschland begonnen.
Schutz für Seniorinnen und Senioren und das Personal: Impfbeginn in einem Pflegheim in Zwickau am 27.12.2020Bild: Robert Michael/dpa/picture alliance

Wurden die osteuropäischen Pflegekräfte in Deutschland also bei der Impfstrategie der Bundesregierung vergessen? Klar ist: Wenn betreute Seniorinnen und Senioren vor Corona geschützt werden sollen, müssen auch deren Betreuerinnen und Betreuer gegen das Virus geimpft werden, genau wie das Personal in Pflegeheimen. Ein Sprecher des Bundesministeriums für Gesundheit verweist auf die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO), die Grundlage für die Impfverordnung sei.

Die STIKO hat Pflegekräfte bei den Corona-Impfungen in die dritte Prioritätsgruppe aufgenommen. "Das ist nicht die höchste Priorisierungsstufe, denn wir gehen davon aus, dass die Pflegerinnen und Pfleger in der Regel nur in einem Haushalt tätig sind, so dass das Infektionsrisiko geringer ist als bei ambulanten Diensten oder Pflegepersonal in Einrichtungen", erklärt STIKO-Epidemiologin Sabine Vygen-Bonnet gegenüber DW.

Wer ist impfberechtigt?

Als impfberechtigt definiert die Coronavirus-Impfverordnung "eine enge Kontaktperson von pflegebedürftigen Personen". Als pflegebedürftig gelten laut Verordnung u.a. Personen über 70 Jahre, Demenzkranke oder Personen mit einer psychischen Behinderung.

Pflegerin und Senior im Rollstuhl in einem Seniorenheim in Hannover während der Corona-Pandemie 2020
Enge Kontaktperson von pflegebedürftigen Personen: Pflegerin und Senior im Rollstuhl in einem Altenheim in HannoverBild: Rainer Droese /localpic/imago images

In der gleichen Gruppe "mit hoher Priorität" befinden sich Personen mit Vorerkrankungen mit hohem Risiko, Patienten nach Organtransplantation oder enge Kontaktpersonen von Schwangeren. Osteuropäische Betreuungskräfte haben Anspruch auf die Impfung, wenn sie von der betreuten Person oder ihrem gesetzlichen Vertreter bestimmt werden.

Problem Versicherung

Es gibt jedoch einen Haken: Voraussetzung für einen Impfanspruch ist eine Versicherung bei einer gesetzlichen oder privaten Krankenkasse in Deutschland. "Die meisten Pflegekräfte aus Mittel- und Osteuropa erfüllen diese Anforderung nicht. Und das ist ein Problem", sagt Frederic Seebohm, Vorsorgeanwalt und Geschäftsführer des Verbands für häusliche Betreuung und Pflege e.V. (VHBP).

Screenshot Skype Interview | Frederic Seebohm
Frederic Seebohm, Vorsorgeanwalt und VHBP-Geschäftsführer, im DW-OnlinegesprächBild: DW/G. Szymanowski

Firmen, die polnische Pflegekräfte nach Deutschland vermitteln, geben gegenüber der DW an, dass die meisten Pflegerinnen und Pfleger in ihrer Heimat versichert sind und mit der Europäischen Krankenversicherungskarte (EHIC) und einer A1-Bescheinigung nach Deutschland kommen. Andere haben eine private Versicherungspolice, die ihnen im Notfall die medizinische Versorgung ermöglicht. "Es kommt vor, dass sich einige direkt bei den deutschen Krankenkassen versichern, das ist aber selten", sagt Anna Skop von der Seniorenhilfe Dortmund.

Verband: Die meisten illegal

Das bedeutet, dass die versicherungsbedingte Corona-Impfung selbst für viele Pflegekräfte, die legal in Deutschland sind, nicht in Frage kommt. Der Verband für häusliche Betreuung und Pflege geht noch einen Schritt weiter. "Und was ist mit denen, die illegal arbeiten?", fragt Frederic Seebohm vom VHBP.

Der Verband schätzt, dass bis zu 700.000 Pflegekräfte jährlich in der häuslichen Pflege in Deutschland tätig sind - von denen 90 Prozent illegal arbeiten. "Seit Jahren fordern wir Rechtssicherheit, damit wir nicht mehr die Illegalität haben", so Seebohm im Gespräch mit DW. Er verweist auf das positive Beispiel Österreichs, das bereits vor 13 Jahren den Bereich gesetzlich geregelt hat.

Für die Politik, so Seebohm, ist die private Altenpflege immer noch ein Tabuthema, das in Krisensituationen gelöst werden muss. Eine davon war die Corona-bedingte Schließung der deutsch-polnischen Grenze im Frühjahr 2020, als sich herausstellte, dass plötzlich Tausende von polnischen Pflegekräften fehlten.

Kommentarbild Katarzyna Domagala-Pereira
Katarzyna Domagala-Pereira Journalistin und Publizistin, stellvertretende Leiterin von DW-Polnisch.