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Keine Ermittlungen in Merkels Handy-Affäre

Martin Koch29. Mai 2014

Die Generalbundesanwaltschaft wird wegen der Ausspähung des Handys von Kanzlerin Merkel durch die NSA wohl nicht ermitteln. Nach entsprechenden Medienberichten wächst der Druck auf Behördenchef Range.

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Angela Merkel mit sicherem Smartphone BlackBerry Z10 (Foto: reuters)
Bild: Reuters/Fabrizio Bensch

Kopfschütteln, Fassungslosigkeit, Spott - die Reaktionen auf die (mutmaßliche) Entscheidung von Generalbundesanwalt Harald Range fallen heftig aus. "Jeder blamiert sich eben, so gut er kann", sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele im Deutschlandfunk. Schleswig-Holsteins Datenschutzbeauftragter Thilo Weichert sprach von einer "Kapitulation vor dem US-Geheimdienst NSA". Und der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, nannte den Verzicht auf ein Ermittlungsverfahren einen "beispiellosen Akt der Rechtsbeugung".

Einem Bericht von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" (SZ) zufolge sah der Generalbundesanwalt nach monatelanger Prüfung ein mögliches Ermittlungsverfahren als aussichtslos an. Demnach hätte seine Behörde weder Zugriff auf Zeugen noch auf Dokumente bekommen, die belastendes Material über die Aktivitäten des US-Geheimdienstes NSA und seines britischen Pendants GCHQ in Deutschland zur Verfügung gestellt hätten. Das Verfahren hätte nach Ansicht Ranges einen rein symbolischen Charakter gehabt und müsse deshalb gar nicht erst eröffnet werden, berichten die drei Medien.

Anfangsverdacht liegt vor

Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Bundesanwälte in schwierigen und auf den ersten Blick aussichtslos erscheinenden Fällen ermitteln. Deshalb hätte Range eigentlich schon vor einem Jahr nach Bekanntwerden der ersten Berichte von Edward Snowden entscheiden müssen, gar nicht erst lange zu prüfen, sondern gleich mit den Ermittlungen zu beginnen, sagt Georg Mascolo vom NDR-WDR-SZ-Rechercheteam.

Nikolaos Gazeas, Uni Köln (Foto: Uni Köln)
Gazeas: Anfangsverdacht liegt vor und hätte zu Ermittlungen führen müssenBild: Universität zu Köln

Dem stimmt der Jurist Nikolaos Gazeas von der Universität Köln zu. Staatsanwälte müssten wegen des in Deutschland geltenden Legalitätsprinzips bei Vorliegen eines Anfangsverdachts auf eine Straftat ermitteln, ob sie wollten oder nicht. Und ein solcher Anfangsverdacht könne im aktuellen Fall schon seit Oktober letzten Jahres durchaus überzeugend bejaht werden, sagt der Experte für deutsches und internationales Strafrecht im DW-Gespräch: "Die Anforderungen an einen Anfangsverdacht sind sehr niedrig. Es genügt eine geringe Wahrscheinlichkeit, dass eine verfolgbare Straftat vorliegt." Diese Minimalvoraussetzung sei erfüllt. Straftaten gebe es hier gleich zwei: Die geheimdienstliche Agententätigkeit, möglicherweise in einem besonders schweren Fall, und das Ausspähen von Daten.

Beides sei durch das Nicht-Dementieren der USA quasi belegt, denn sonst hätte Bundeskanzlerin Merkel US-Präsident Barack Obama ja nicht direkt darauf angesprochen. Deshalb hätte es zu einem förmlichen Ermittlungsverfahren kommen müssen, erklärt Gazeas.

Zu heißes Eisen?

Das monatelange Vorverfahren findet Gazeas aus einem weiteren Grund problematisch: "Weite Teile der Untersuchungen, die der Generalbundesanwalt hier unternommen hat, hätten auch in einem förmlichen Ermittlungsverfahren stattfinden können, ja vielleicht sogar müssen, wenn man die Strafprozessordnung streng auslegt."

Hans-Christian Ströbele NSA Untersuchungsausschuss 03.04.2014 (Foto: picture alliance)
Ströbele: Der Generalbundesanwalt traut sich nichtBild: picture-alliance/dpa

Und wenn am Ende, nachdem alle Möglichkeiten der Strafprozessordnung ausgeschöpft wären, die Entscheidung gestanden hätte, mangels Beweisen das Verfahren einzustellen, wäre diese Entscheidung sicher besser vermittelbar gewesen, meint Strafrechtsexperte Gazeas.

Für den Grünen-Politiker Christian Ströbele ist klar, warum der Generalbundesanwalt Ermittlungen ablehnen wird: "Das Eisen ist ihm zu heiß. Er traut sich nicht, tatsächlich gegen die vorzugehen, die hier die hier die Verantwortung tragen. Das sind sicher sehr mächtige Leute bei den Geheimdiensten in den USA und Großbritannien, möglicherweise auch Mitwisser und Helfer bei den deutschen Geheimdiensten."

Die wären möglicherweise wirklich nicht als Zeugen aufgetreten. Trotzdem sei das kein Grund, nicht zu ermitteln, sagt Georg Mascolo. Schließlich stehe mit Edward Snowden ein sehr guter Zeuge bereit. "Solche Ermittlungen sind schwierig für Politik und Justiz, aber mit Fleiß und Entschiedenheit kann man weiter kommen als wir es bisher getan haben."

Und nach jüngsten Äußerungen vom Snowden-Vertrauten Glenn Greenwald bestehe berechtigter Grund zu der Annahme, dass bislang erst ein Bruchteil der Informationen überhaupt bekannt sei, ergänzt Nikolaos Gazeas.

Kein persönliches Fehlverhalten

Juristische Schritte gegen den obersten Bundesanwalt werde es aber nicht geben, ist Gazeas überzeugt. Das einzige in so einem Fall zur Verfügung stehende Mittel wäre eine Dienstaufsichtsbeschwerde, die bei persönlichem Fehlverhalten eines Beamten angezeigt ist. Ein solches sei in der voraussichtlichen Entscheidung des Generalbundesanwalts, keine förmlichen Ermittlungen aufzunehmen, aber nicht zu sehen.

Als mögliches Motiv Ranges vermuten viele die Furcht, durch förmliche Ermittlungen gegen möglicherweise höchste staatliche Stellen die USA zu verärgern. Diese Überlegung sei verständlich, sagt Nikolaos Gazeas. Für die Frage, ob ein Anfangsverdacht vorliege, spiele sie jedoch keine Rolle. Wenn der Generalbundesanwalt aus politischen Gründen von Ermittlungen absehen wolle, halte die Strafprozessordnung eine besondere Einstellungsmöglichkeit dafür bereit.

Der Strafrechtler kritisiert aber den Zeitpunkt der Entscheidung: "Es überrascht ein wenig, dass der Generalbundesanwalt nicht zumindest noch die Entwicklung abgewartet hat, ob Edward Snowden als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss aussagen wird. Aus einer solchen Vernehmung wären durchaus auch neue Erkenntnisse für die Bundesanwaltschaft denkbar."