Keine Angst vor Kontroversen
Die Arabische Welt ist zu Gast bei der Frankfurter Buchmesse im Oktober 2004 - und dieser gemeinsame Auftritt auf kultureller Plattform ist eine Weltpremiere. 17 von 22 Ländern der Arabischen Liga kommen offiziell; Algerien, Marokko, Libyen, Kuwait und der Irak sind nicht dabei. Autoren aus diesen Staaten seien aber trotzdem vertreten, betont Mohamed Ghoneim von der Arabischen Liga, der für das Programm verantwortlich ist. Über 150 Autoren werden zu Lesungen und Diskussionen erwartet. Eine Chance, um den Durchbruch auf dem Buchmarkt zu schaffen.
In der Krise keine Zeit für Bücher?
Der Auftritt der arabischen Staaten sorgt bereits länger für Aufregung. Allein schon deswegen, weil so viele Länder eingeladen sind; eine Region mit gemeinsamen kulturellen Wurzeln, die aber in einigen wichtigen Fragen zerstritten ist. Etwa in der Irak-Krise oder dem Nahost-Konflikt, mit denen die Staaten genug zu tun haben: "Würde sich ein deutscher Schriftsteller Gedanken über eine Buchmesse machen, während gerade Dresden bombardiert wird?", fragte einmal der ägyptische Schriftsteller Sonallah Ibrahim.
Trotz der Vielzahl macht es Sinn, die Araber gemeinsam einzuladen, denn die Buchproduktion der einzelnen Staaten ist oft dürftig - vor allem, wenn es nicht um religiöse Schriften, sondern um Belletristik geht. Im Frühjahr 2004 sah es bei den Finanzen genauso mau aus: Da hatte mehr als die Hälfte der Staaten ihren Beitrag noch nicht bezahlt. Nun scheint das aber geregelt.
Diskussionen - mit Sicherheit
Auf der Messe ist mit hitzigen Debatten zu rechnen. Zum Beispiel wegen der Reibereien, die arabische Literaten in ihrer Heimat haben. Sonallah Ibrahim sorgte für einen Skandal, als er vor Monaten bei einer feierlichen Zeremonie im Kairoer Opernhaus einen hoch dotierten staatlichen Preis ablehnte und als Begründung angab, das ägyptische Volk werde von der Regierung unterdrückt.
Und die algerische Autorin Assia Djebar verlangte, dass auf der Buchmesse auch die Diskriminierung arabischer Autoren zur Sprache kommen müsse: "Die Literatur der arabischen Welt muss pluralistischer werden." Während die arabischen Kulturorganisationen eine durchaus moderne Welt zeigen wollen, befürchteten manche Literaten eine Propaganda-Show.
Arabische Welt will Image-Korrektur
Außerdem wird es um kontroverse Themen gehen wie die Stellung der Frau im Islam. Geplant sind auch Symposien über Menschenrechte und Toleranz. Der Generaldirektor der arabischen Organisation für Bildung, Kultur und Wissenschaft (ALESCO), Mongi Bousneina, kündigte an, Verleger und Autoren würden in Frankfurt antreten gegen "intellektuelle Tyrannei" und "intellektuellen Terrorismus gleich welcher Form".
Die arabischen Staaten wollen das schiefe Bild wieder gerade rücken, das sie im Westen haben. Sie wollen weg vom "Tausend und eine Nacht"-Image und vom Schrecken terroristischer Szenarien. Und der Westen zeigt sich aufgeschlossen; "jede Gelegenheit" für einen Dialog müsse man beim Schopf ergreifen, betonte der Buchmesse-Direktor Volker Neumann.
Kalligrafie, Ikonen, Tanz und Kino
Das lassen sich die Teilnehmerländer nicht zweimal sagen. Laut Ghoneim würden nicht nur "Meisterwerke" arabischer Kalligrafie, sondern auch christliche Ikonen unter anderem aus Palästina gezeigt. Das Frankfurter Filmmuseum plane eine Retrospektive des arabischen Kinos. Außerdem solle das Publikum mit zwei Tanztheater-Produktionen aus Kairo und Beirut überrascht werden. Ghoneim gibt für die Arabische Buchwelt als Motto aus: "Du hast keine Chance, also nutze sie." (reh)