Kein Vulkan ist wie der andere
15. April 2005Südostasien ist bekannt für Vulkanausbrüche: 1883 explodierte die Insel Krakatau, danach kam eine Flutwelle und riss etwa 36.000 Menschen in den Tod. Von ähnlicher Stärke war der Ausbruch des Pinatubo 1991 auf den Philippinen. Damals starben 600 Menschen.
Vor Sumatra taucht die indische Platte unter die eurasische Kontinentalplatte. Grund für die hohe seismische Aktivität ist die relativ hohe Geschwindigkeit, mit der sich die Platten übereinander schieben - rund acht Zentimeter im Jahr. Etwa 100 Kilometer unter der Erdoberfläche wird das abgetauchte Material unter hohem Druck in ein anderes Gestein verwandelt. "Es verliert rund fünf Prozent seines ursprünglichen Volumens", erklärt Birger Lühr, Erdphysiker vom Geoforschungszentrum Potsdam. Flüssigkeit und Gase entweichen, steigen auf und führen an der Erdoberfläche zu den gefürchteten Ausbrüchen.
"Vulkanausbrüche können wir noch nicht mit letzter Sicherheit vorhersagen", weiß Lühr. "Man muss jeden einzelnen Vulkan nämlich erst kennen lernen." Bei vielen fehle noch die Erfahrung, um sichere Voraussagen zu machen. Und selbst wenn, könne der speiende Berg sich sowieso immer anders verhalten als erwartet.
Verkabelt wie ein Klinik-Patient
Dazu kommt: "Ein Vulkan ist mehr, als man oben sieht. Der reicht bis zu 700 Kilometer in den Erdmantel hinein", sagt Bernd Zimanowski, Professor am Geophysischen Institut der Universität Würzburg. Also bleibt den Wissenschaftlern vor allem eins: Daten sammeln. Einige Vulkane wie der Mount St. Helens in Alaska oder der Ätna auf Sizilien seien verkabelt "wie ein Patient auf der Intensivstation".
Aus sicherer Entfernung messen die Forscher mit Lasergeräten, ob sich der Berg verformt, weil das Magma den Vulkan anschwellen lässt. Außerdem kontrollieren sie, ob vermehrt Gase austreten (vor allem Schwefel- und Kohlendioxid). Sie prüfen, ob die Temperatur ansteigt, messen elektrische Felder und zeichnen mit Seismografen auch die kleinsten Erschütterungen auf. "Strömendes Magma gibt ein charakteristisches Geräusch", sagt Zimanowski. "Aber jedes Magma ist anders – wie jeder Patient auch."
Langsam, launisch, explosiv
In all den Datenkurven versuchen die Vulkanologen Regelmäßigkeiten zu erkennen, um abschätzen zu können, wie der jeweilige Vulkan sich beispielsweise kurz vorm Ausbruch benimmt. Und sie sortieren die Feuerberge. Bei den Vulkanen auf Hawaii fließe Lava ständig, erklärt Lühr, "aber mit Fahrradfahrergeschwindigkeit". Andere wie der Ätna seien launischer, aber auch "mäßig bis nicht explosiv".
Tückisch seien vor allem die Vertreter in Regionen, wo sich eine Erdplatte unter die andere schiebt – wie der Merapi auf Java. "Die neigen zu heftigen Ausbrüchen und zu Glutlawinen. Da rasen heiße Steine, Gase und Asche mit 400 bis 600 Grad und mindestens 200 Kilometer pro Stunde auf die Dörfer zu. Die Menschen tun noch einen Atemzug von der heißen Luft, dann ist das Thema durch." Es sei denn, sie wurden rechtzeitig evakuiert, dafür würden am Merapi fünf bis sieben Minuten Zeit bleiben.
Kein Geld, keine Stabilität
Das Problem: Die Messstationen sind teuer – und arme Länder mit Vulkan können sie sich nicht leisten. "Das gilt für Afrika und für viele südamerikanische Länder, wie Ecuador", sagt Zimanowski, "aber auch für den südostasiatischen Raum." Hinzu kommt: "Länder wie Guatemala oder Uganda sind politisch so instabil, denen könnte man die Geräte schenken - die Wahrscheinlichkeit, dass die kaputtgemacht werden, ist hoch", erklärt Lühr.
Sein Würzburger Forscherkollege Zimanowski lobt die USA: "Die Geological Society hat eine Taskforce, wenn es eng wird, fahren die in das Land und helfen." Er findet, UNO und EU sollten auf diesem Gebiet mehr tun: "Wir haben schließlich auch gute Vulkanologen."
Lieber einmal mehr warnen
Zimanowski weiß, dass die perfekte Voraussage nicht hinzubekommen ist. Vulkanbeobachter halten sich an Gefährdungs- und Risiko-Analysen, setzen auf Vorsorge - und sie schlagen lieber einmal zu viel Alarm: "Wenn wir uns irren und der Vulkan bricht aus, dann wurden Millionen in den Sand gesetzt", sagt Zimanowski. Aber es lässt sich nicht vermeiden."