Kein nationaler Hitzeplan
1. Juli 2015Sommer, Sonne, Hitzschlag? Die Meteorologen des Deutschen Wetterdienstes rechnen damit, dass sich die Temperaturen am Wochenende dem deutschen Hitzerekord annähern. Bei 40,2 Grad blieb die Quecksilbersäule erstmals 1983 und dann gleich dreimal 2003 stehen. Der Sommer wurde damals als Katastrophenereignis eingestuft. Er zählte damit zu den zehn tödlichsten Naturkatastrophen der letzten Jahrzehnte.
Für die aktuellen tropischen Temperaturen sind zwei Phänomene verantwortlich: Das über Mitteleuropa liegende Hochdruckgebiet Annelie und das Tief Quintus, das aus Nordafrika heiße Luftmassen nach Deutschland und seine Anrainerstaaten transportiert. "Es zählen aber nicht nur die gemessenen Temperaturen", sagt Denny Karran vom Deutschen Wetterdienst (DWD), der im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums Daten und Warnungen veröffentlicht: "Für die gefühlten Temperaturen spielen Windgeschwindigkeit und Feuchtigkeit eine wichtige Rolle."
Hitzemanagement
Werden an zwei aufeinanderfolgenden Tagen mehr als 32 Grad Celsius gemessen, sprechen Meteorologen von starker Hitze. Ab diesem Donnerstag (02.07.2015) und für das Wochenende erwarten sie mehr als gefühlte 38 Grad und damit eine extreme Hitze - mit intensiver Sonneneinstrahlung, relativ hoher Luftfeuchtigkeit, geringer Windbewegung und kaum Abkühlung in der Nacht. Die Daten der Messstationen leitet der DWD an Behörden weiter. Der "Hitzewarndienst" informiert Einrichtungen, in denen besonders verwundbare Gruppen betreut werden wie Kindergärten, Seniorenheime, Krankenhäuser und Pflegedienste über die zu erwartende Extremwetterlage. Auch Rundfunk- und Fernsehsender sowie Privatpersonen greifen auf Daten des DWD zurück.
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) bietet per Internet und auf einem Flyer ein Hitzewarnmanagement an. "Allerdings gibt es keinen nationalen Hitzeplan", erklärt Danielle Schippers vom BBK. Aufgrund der föderalen Struktur der Bundesrepublik liegen die Zuständigkeiten bei den jeweiligen Bundesländern. Auch für Schulen besteht bundesweit keine einheitliche Regelung. Karlsruhe, das zu den nationalen Hitze-Spitzenreitern zählt, und andere Städte geben über Internet Tipps zur Hitzeprophylaxe. Darin wird zum Tragen lockerer Kleidung geraten, mindestens zwei bis drei Liter zu trinken, vorzugsweise Wasser und verdünnte Säfte.
Auf Alkohol, koffeinhaltige Getränke und schwere Kost sollten verzichtet werden. Der Konsum salzhaltiger Lebensmittel soll dem Mineralienverlust entgegenwirken. Körperliche Anstrengung und längere Autofahrten sind zu vermeiden oder auf Morgen- oder Abendstunden zu verlegen. Der Aufenthalt im Schatten wird angeraten und das Tragen einer Kopfbedeckung in der Sonne. Bei Notfällen im Zusammenhang mit Hitzewellen kommen Rettungsdienst, Feuerwehr und Hilfsorganisationen zum Einsatz.
Auswirkungen auf die Gesundheit
Je höher die Temperaturen und je länger die Hitzeperiode, desto mehr Menschen werden von Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Schwindel, Kopfschmerzen, Erschöpfung oder sogar Ohnmacht betroffen. Besonders ältere Menschen, die nicht auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten und Medikamente für ihre Körperfunktionen einnehmen, sind gefährdet. Stadtbewohner spüren die hohen Temperaturen intensiver, denn zwischen Gebäuden staut sich die Hitze mehr als in der Nähe von Wasser und Grün.
2013 brachte die Gluthitze sogar Autobahnbeläge zum Platzen, weil sich temperaturabhängige Betonplatten wie Stahl ausdehnen. Bei über 30 Grad kann der "Blow-Up-Effekt" eintreten: In nur wenigen Sekunden reißen die Platten und schieben sich übereinander.
Nationaler Hitzeplan in den Niederlanden
In den Niederlanden ist am Dienstag (30.06.2015) der Nationale Hitzeplan in Kraft getreten. Er wurde vom Gesundheitsministerium in Den Haag nach einer extremen Wetterperiode im Juli 2006 entwickelt. Damals waren 1000 Menschen mehr gestorben als in einem Juli mit normalen Temperaturen.
Der Nationale Hitze-Plan informiert verschiedene Organisationen wie Gesundheitsbehörden, Industrieverbände, Gewerkschaften und das Rote Kreuz über Risiken und allgemeine Maßnahmen bei anhaltender Hitze und regelt die Zuständigkeiten für Notfälle. Besonderes Augenmerk gilt älteren und pflegebedürftigen Menschen und Menschen mit Übergewicht. Bei Symptomen wie Müdigkeit und Juckreiz bis zu schweren Krankheiten mit potenziell lebensbedrohlichen Folgen greifen staatliche Stellen oder Freiwilligen-Organisationen ein.
Hitze-Survival für Tiere
Mehrere Zoos bieten ihren Tieren zusätzliche Kühlung. Elefanten und Warzenschweine können sich in ihren Teichen abkühlen. Affen bekommen geeistes Obst. Für Eisbären steht bei anhaltend hohen Temperaturen gefrosteter Fisch auf dem Speiseplan.
Der Plan wird aktiviert, wenn an mindestens vier aufeinanderfolgenden Tagen maximale Temperaturen von mehr als 27 Grad erwartet werden. Meteorologen rechnen am Samstag mit 35 Grad, wenn zum Start des Radklassikers "Tour de France" in Utrecht Tausende Zuschauer erwartet werden. Die Radprofis, soviel ist sicher, haben keinen Anspruch auf hitzefrei.
Anpassung an den Klimawandel
Klimaforscher gehen davon aus, dass sich Extremwetterereignisse wie Hitze und Starkniederschläge künftig häufen. Eine Behördenallianz aus BBK, DWD, Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), Umweltbundesamt (UBA) und dem Technischen Hilfswerk (THW) arbeitet gemeinsam mit Wissenschaftlern an Anpassungsstrategien mit dem Fokus auf Gesundheit und Bevölkerungsschutz.